Sieg für Hamilton „Mein Fehler“: Crashpilot Vettel verliert WM-Führung
Le Castellet (dpa) - Crashpilot Sebastian Vettel suchte nach dem schnellen Verlust seiner WM-Führung gar nicht erst nach Ausreden.
„Das ist mein Fehler, die Schuld liegt bei mir“, bekannte der Ferrari-Star nach seinem Startunfall, mit dem er sich den Großen Preis von Frankreich verdarb. Zwar rettete sich der 30-Jährige in Le Castellet trotz einer Zeitstrafe noch auf Platz fünf, die Spitze der Gesamtwertung aber übernahm nach nur einem Rennen wieder Formel-1-Titelverteidiger Lewis Hamilton mit dem 65. Sieg seiner Karriere. „Genau da will ich sein“, sagte der Mercedes-Fahrer.
Für Fußballfan Hamilton endete damit ein perfekter Sonntag, nachdem er sich zuvor schon das 6:1 der Engländer bei der WM in Russland gefreut hatte. „Ich bin so glücklich für England“, versicherte der 33-Jährige, der auch dank eines um zehn PS verstärkten Motors ungefährdet von der Pole Position zum Sieg gerast war und nun 14 WM-Punkte vor Vettel liegt.
Statt Hamiltons eher unspektakulärer Fahrt bot der Crash von Vettel mit Valtteri Bottas im zweiten Silberpfeil in der ersten Kurve den meisten Diskussionsstoff. „Mann, der räumt ihn voll ab. Das ist verrückt“, sagte Hamilton beim Blick auf die TV-Zeitlupen kurz vor der Siegerehrung. „Warum Vettel für diesen Riesenfehler nur fünf Sekunden Strafe bekommt, verstehe ich nicht. Das ist zu wenig“, wetterte Mercedes-Teamaufseher Niki Lauda.
Die Milde der Rennrichter ermöglichte Vettel noch eine starke Aufholjagd, für die er von den Fans zum Fahrer des Tages gekürt wurde. Nachdem er wegen des Unfalls einen neuen Frontflügel anbauen lassen musste und auf Platz 17 zurückgefallen war, pflügte er durch das Feld und holte sich immerhin noch zehn WM-Punkte. „Es war von Anfang an der Wurm drin. Dafür war der fünfte Platz okay“, bilanzierte der Hesse.
Zweiter wurde der Niederländer Max Verstappen im Red Bull, Siegchancen hatte er aber nicht. „Es war hart, Lewis zu folgen“, meinte er. „Es ist aber immer gut, auf dem Podium zu sein.“ Kimi Räikkönen rettete als Dritter den Tag für Ferrari noch einigermaßen. Hamiltons Teamkollege Bottas kam trotz eines Schadens am Boden nach dem Unfall mit Vettel noch auf den siebten Rang. Nico Hülkenberg wurde im Renault Neunter.
Vettel bietet sich im Titelkampf immerhin schon am kommenden Sonntag im österreichischen Spielberg und eine Woche später bei Hamiltons Heimrennen in Silverstone die Chance zur Revanche. Doch das könnte schwer werden für den 30-Jährigen. Denn Hamilton und der Mercedes präsentierten sich in Le Castellet nach dem Motor-Update in alter Stärke, nachdem sie noch zwei Wochen zuvor in Montréal beim überlegenen Erfolg von Vettel ohne Chance waren. Damals stand Mercedes der neue Motor noch nicht zur Verfügung.
Auf dem Hochgeschwindigkeitskurs nahe der Cote d'Azur bestätigte der Brite dank des Power-Plus' seine überzeugenden Auftritte im Training und in der Qualifikation. Von der 75. Pole Position seiner Karriere aus erwischte er einen perfekten Start. Dahinter krachten erst Vettel und Bottas und dann Pierre Gasly im Toro Rosso und Esteban Ocon im Force India zusammen. Die beiden Franzosen schieden ausgerechnet bei ihrem Heimatrennen schon nach wenigen Metern aus.
Das Safety Car musste früh raus und bremste das Feld ein. „Die erste Kurve hatte nichts mit mir zu tun, richtig?“, fragte Hamilton. Sein Kommandostand konnte ihn beruhigen. Beim Re-Start in Runde sechs auf dem modernisierten Circuit Paul Ricard verteidigte er ohne Mühe seine Führung vor Verstappen und Ricciardo.
Vettel startete von hinten aus seine Aufholjagd: Mit der härtesten in Le Castellet verfügbaren Reifenmischung setzte er darauf, möglichst lange durchzufahren. Schon fünf Durchgänge später auf dem 5,842 langen Kurs in den Bergen nahe Marseille war der Hesse nach einem Überholmanöver gegen seinen Landsmann Hülkenberg als Zehnter in den Punkten. Und auch sein Unfall-Gegner Bottas arbeitete sich immer weiter nach vorn.
Vettel lag zwischenzeitlich sogar auf Rang vier. Doch mit zunehmender Dauer bauten auch seine Reifen ab. Gegen die vor ihm liegenden Konkurrenten hatte er keine Chance mehr und fuhr sicherheitshalber noch einmal zum Reifenwechsel raus. Zu mehr als Platz fünf reichte es nicht mehr. An der Spitze setzte Hamilton seine Solofahrt zu einem niemals gefährdeten Sieg fort. Als Williams-Pilot Lance Stroll mit einem Reifenschaden zwei Runden vor dem Ende liegen blieb, entschied sich die Rennleitung für das virtuelle Safety Car. Der Sieg für Hamilton stand endgültig fest.