Schluss mit den Verboten - Pirelli für neue Testregeln

Nürburgring (dpa) - Sie wiegen rund zehn Kilogramm. Doch in den Debatten der Formel 1 hat derzeit kaum etwas so viel Gewicht wie das Thema Reifen.

In Silverstone platzten einige der sensiblen Pneus während des Rennens, auf dem Nürburgring hielten die überarbeiteten Mischungen und machten den Grand Prix bis zum Schluss zu einem Thriller. Für Motorsportchef Paul Hembery von Reifenhersteller Pirelli ist die Diskussion noch lange nicht beendet. Der Brite fordert neue Testregeln. „Es geht nicht darum, wieder voll zu den alten Testmöglichkeiten zurückzukehren, aber dass die Fahrer einfach wieder auf der Strecke fahren können. Das würde ja nicht nur uns helfen, sondern allen, die in den Sport involviert sind“, betonte Hembery in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa.

Auch wenn für die Testfahrten in der kommenden Woche in Silverstone Ausnahmen gemacht wurden, sind Proberunden während der WM im aktuellen Auto mit den Stammfahrern prinzipiell verboten. „Wir haben einen Sport, in dem die Fahrer nicht fahren dürfen. Das ist ein bisschen bizarr“, sagte Hembery. Auch der Reifenhersteller leidet ganz besonders mit Blick auf 2014 darunter.

„Die einzigen Informationen, die wir für kommendes Jahr haben, stehen auf einem einzigen Blatt Papier. Das muss man auch mal beachten“, sagte Hembery: „Wir haben also keine Hinweise darauf, wie die Autos künftig aussehen werden.“ Zum 1. September sollen den Teams gemäß den Weltverbandsstatuten aber die Reifenspezifikationen fürs nächste Jahr vorliegen.

Die Testregeln in der Königsklasse des Motorsports haben sich über die Jahre erheblich verändert. Früher durften die Teams praktisch unbegrenzt ihre Proberunden drehen. Aus Kostengründen wurde die Zahl der Testmöglichkeiten aber drastisch zusammengestrichen.

Ferrari etwa betrieb nicht zuletzt unter Michael Schumacher auf der hauseigenen Strecke in Fiorano sehr intensive Sessions. Nach dem Comeback des Kerpeners bei Mercedes äußerte er schon im Juli 2010 deutliche Kritik an den neuen Bestimmungen.

„Die Formel 1 ist der einzige Sport weltweit, bei dem man nicht testen darf. Angesichts des hohen technischen Niveaus, auf dem wir operieren, ist das unverständlich“, echauffierte sich Schumacher. „Es ware lächerlich 90 000 Kilometer im Jahr zu testen, aber es ist genauso lächerlich gar nicht zu testen.“

Die Rückkehr von Verhältnissen wie einst mit inflationären Testkilometern will wohl keiner in der Formel 1. Nicht wenige plädieren vor der gravierendsten Reform mit einer Motorumstellung und dazugehörigen technischen sowie aerodynamischen Anforderungen im kommenden Jahr aber zumindest für eine Lockerung des Testverbots.

„Da gibt es auch noch eine Reihe anderer Dinge, die geändert werden müssen. Man muss die Entscheidungsprozesse verändern“, sagte Hembery, der mit Pirelli noch immer nicht weiß, ob sie auch 2014 Lieferant der Formel 1 sein werden. Bei all den Regelveränderungen im kommenden Jahr könne es leicht wieder zu einem Szenario wie in Silverstone kommen, „dann aber vielleicht wegen der Bremsen, wegen des Motors oder des Getriebes.“ Vielleicht habe man „alle möglichen Probleme nächstes Jahr, aber das ist nicht gut für den Sport.“

Die Arbeit für Pirelli seit ihrem Wiedereinstieg zur Saison 2011 ist jedenfalls nicht einfach. „Wenn wir zum Beispiel für deutsche Spitzenkonzerne wie Mercedes, BMW oder Porsche Reifen entwickeln, arbeiten wir daran drei Jahre, bevor wir die Wagen, das getestete Gesamtpaket, auf die Straße schicken“, beschrieb Hembery. Die Debatte ist noch längt nicht beendet.