Vettel hungriger denn je: „Das macht süchtig“

Yokohama (dpa) - Sebastian Vettel nahm sich nur kurz Zeit für die Feier seines zweiten WM-Titels. Nicht einmal 24 Stunden nach dem Triumph in Japan rief den Doppel-Weltmeister wieder die Pflicht. Bei allen Lobeshymnen machte Vettel klar: Sein Titelhunger ist noch lange nicht gestillt.

Die lange Party-Nacht stand Sebastian Vettel noch ins Gesicht geschrieben, das Feuer aber loderte im Formel-1-Champion heißer denn je. Schon am Tag nach seinem zweiten Triumph steckte sich der jüngste Doppel-Weltmeister bei einem launigen PR-Termin das nächste Ziel: eine Erfolgs-Ära im Stile seines Vorbilds Michael Schumacher. „Das macht süchtig. Es gibt nichts anderes in meinem Leben, das mir so eine Genugtuung gibt“, bekannte Vettel in Yokohama.

Fast ohne Schlaf und mit angekratzter Stimme von der Karaoke-Sause in einem Irish Pub besuchte der 24-Jährige pflichtbewusst per Hubschrauber die Autofabrik eines Team-Sponsors. Vettel gönnt sich keine Pause - vorzeitiger Titelgewinn hin oder her. „Das erlaubt uns nicht, in Urlaub zu gehen“, mahnte der Hesse. „Wir dürfen nichts als selbstverständlich hinnehmen. Es könnte morgen vorbei sein. Wir müssen den Hunger bewahren.“

Auch wenn er lässig in Jeans und mit verstrubbelten Haaren auf der Bühne lümmelte und später mit kreischenden japanischen Fans scherzte, ließ Vettel keinen Zweifel daran, dass er sich erst am Anfang seiner Mission sieht. „My Way“ von Frank Sinatra hatte er in der Jubelnacht ziemlich schräg ins Karaoke-Mikrofon geschmettert - seinen Weg durch die Formel-1-Rekordbücher will er geradeaus weitergehen. „Man will nicht, dass es aufhört“, erklärte Vettel.

Der unbedingte Wille zum Erfolg, der Stil des beinharten Wettkämpfers auf der Strecke, die Fähigkeiten als Ausnahme-Analytiker im Cockpit und die schnell wachsende Zahl der Bestmarken - all das erinnert mehr und mehr an Rekordweltmeister Schumacher. Als Partygast stieß der 42-Jährige in der Nacht zum Montag mit Vettel an. „Etwas Besonderes“ sei dieser Moment gewesen, schwärmte Vettel. „Es macht mich stolz, weil wir Freunde sind und viel miteinander erlebt haben“, hatte Schumacher schon vorher gesagt.

So wie einst der Kerpener zu seinen besten Zeiten dominiert in diesem Jahr sein Kumpel die Königsklasse. Von 15 Rennen gewann Vettel 9, stand 14 Mal auf dem Podium und fuhr 12 Mal die Pole Position heraus. „Er hat das mit seinem Willen erreicht“, lobte Vater Norbert. „Er ist phänomenal“, sagte Japan-Sieger Jenson Button.

Fast immer in seiner Formel-1-Karriere war der Heppenheimer als Jüngster am Ziel, holte früher als alle anderen Punkte, gewann Rennen und Titel. „Ein ewiger Frühreifer“, schrieb die „Neue Zürcher Zeitung“. „Was alles in der Formel 1 vorher passiert ist, er ist der Beste“, urteilte der dreimalige Weltmeister Niki Lauda daher schon.

Und so allmählich wirken deshalb sogar die eigentlich unerreichbar scheinenden Schumacher-Rekorde möglich. „Der neue Kannibale“ nannte die italienische Zeitung „La Repubblica“ Vettel bereits. „Als Michael Schumacher so alt war wie Vettel, hatte er nicht einmal den ersten seiner sieben Weltmeister-Titel gewonnen“, notierte „Le Figaro“. „Vettel kann zehn Jahre lang regieren. Wenn er so weitermacht wie bisher, wird niemand einen Stich gegen ihn bekommen“, ahnte der „Daily Telegraph“ und sieht „Schumis“ Meilensteine „unter Beschuss“.

Auch der Rennstall des Hochgelobten wittert weitere Siegesserien. „Die gesamte Mannschaft bleibt zusammen, also sehe ich keinen Grund, warum wir kommendes Jahr nicht erfolgreich sein sollten“, sagte Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko. Geldgeber Dietrich Mateschitz bekräftigte in den „Salzburger Nachrichten“ (Montag): „Wir legen jetzt die Basis, um auch 2012 um den Titel fahren zu können. Dabei wissen wir, wie sehr McLaren, Ferrari und Mercedes für nächste Saison aufrüsten werden.“

Teamchef Christian Horner vertraut fest in seinen Chefpiloten. „Wer Sebastian kennt, der weiß, dass er nie Ruhe gibt und sich immer verbessern will“, meinte der Brite.

Wie zum Beweis verwies Vettel in Yokohama auf die Chance, in den verbleibenden vier Saisonrennen schon einen Erfahrungsvorsprung für das nächste Jahr anzuhäufen. „Das werden wir nutzen“, drohte der WM-Gewinner seinen Rivalen. Vettel bleibt fokussiert, der dritte Titel in Serie soll her, auch wenn er den Schumacher-Vergleich noch abwehrt. „Wenn man über Michael spricht, muss man Respekt zeigen. Was er erreicht hat, ist unglaublich. Wir müssen Schritt für Schritt denken“, heißt sein Motto.

Zwei Tage immerhin nimmt sich Vettel, um den Akku nach der Suzuka-Fete wieder aufzuladen. Mehr als 80 Glückwunsch-SMS hatte er schon am Montag beantwortet. „Nach der langen Nacht gestern ist es einfach wichtig, das Ganze ein bisschen einsinken zu lassen, es zu genießen, viel zu schlafen, um dann wieder bereit für Korea zu sein“, sagte er. Vettel hat noch lange nicht genug.