Wachstumsbeschleuniger Ecclestone: Expansion am Limit
Greater Noida (dpa) - Die Formel 1 expandiert in schwindelerregendem Tempo. Dabei bleiben so einige Rennen auf der Strecke. Chefvermarkter Bernie Ecclestone hat vor allem eine Antriebsfeder: Profit.
In farbenprächtigen Gewändern zieht die indische Folklore-Gruppe trommelnd und tänzelnd durch das Fahrerlager. Die Expansion der Formel 1 hat durchaus ihre sehenswerten Facetten. Auch wenn sie Teil der millionenschweren Selbstinszenierung ist. Aber gerade der Große Preis von Indien vor den Toren Neu-Delhis ist ein Beispiel für eine an die Grenzen stoßende Wachstumsstrategie der Königsklasse des Motorsports und ihres ewig umtriebigen Chefvermarkters Ecclestone.
Nach nur drei Auflagen muss sich das verheißungsvoll gestartete Event schon wieder aus dem Rennkalender verabschieden. Vorerst, sagen die Veranstalter. Auf ewig, wünscht sich manch anderer. „Was den Papierkram betrifft, ist das eine große Erleichterung“, meinte Weltmeister Sebastian Vettel schmunzelnd zum Goodbye aus Greater Noida. Sorgenkinder hat Ecclestone ohnehin genug.
Der Brite setzt auf Wachstum, nicht auf Nachhaltigkeit. Für den früheren Gebrauchtwagen-Händler, der in der Formel 1 seit Jahrzehnten die Strippen zieht, zählt der Profit. Dafür sorgen die Rennveranstalter mit Gebühren in zweistelliger Millionenhöhe. Und die geraten immer mehr in Schieflage. Indien sagt notgedrungen ade, das Gastspiel in Südkorea ist trostlos, das Rennen in Bahrain macht auch mit politischen Unruhen auf sich aufmerksam und das China-Event ringt immer mehr noch um Akzeptanz unter den Fans.
„Jetzt ist es ein bisschen so, als ob man aufgibt“, sagte die indischstämmige Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn dem Fachmagazin „Autosport“ zum vorläufigen Ende des Projekts vor den Toren Neu-Delhis. 2015 soll das Rennen, dann aber im Frühjahr, wieder im Formel-1-Kalender stehen. Zwei Läufe in nur rund sechs Monaten können die Veranstalter nicht finanzieren. Daher die Pause. „Ich denke, es ist sehr schwierig zurückzukommen, wenn man ein Land verlässt, vor allem wenn man es nicht wirklich geschafft hat, den Sport dort zu etablieren“, erklärte Kaltenborn weiter.
Dabei besitzt die Formel 1 Perlen in ihrem Kalender. Das Nachtrennen in Singapur etwa oder die Glitzershow in Abu Dhabi, wo die Motorsportserie kommende Woche gastiert. Und Ecclestone hat nicht genug. Trotz aller Sorgen. Der Olympia-Ort Sotschi gibt 2014 sein Debüt, außerdem träumt der Brite von Gastspielen in Thailand, Aserbaidschan und weiteren USA-Rennen. Dabei ist für den mit 22 Etappen gespickten vorläufigen Rekord-Kalender für 2014 noch nicht einmal sein Herzens-Projekt vor der Kulisse New Yorks bestätigt.
Und Europa? Der Kernmarkt der Formel 1 spielt für den Briten nicht mehr die ganz große Rolle. 2014 werden Vettel und Co. zwar wieder in Österreich Runden drehen, sonst mussten jedoch schon einige Veranstalter kapitulieren. Imola, Frankreich und die Türkei verschwanden in diesem Jahrtausend aus dem Kalender.
Auch die spanische Hafenstadt Valencia, die von 2008 bis 2012 den Großen Preis von Europa ausrichtete, hisste jüngst wegen fehlender finanzieller Mittel die weiße Flagge. Die Folge: 2013 fanden nur noch sieben der 19 Rennen in Europa statt - so wenige waren es zuletzt 1969. Unvorstellbar bleibt aber ein Verzicht auf Stützpfeiler wie etwa Monaco oder Monza.
Vom Status eines festen Bestandteils war Indien weit entfernt. Der Grand-Prix-Veranstalter ist aber sehr zuversichtlich, 2015 erneut Gastgeber zu sein. „Wir haben einen festen Vertrag über fünf Jahre, mit der Option auf weitere fünf“, sagte der Geschäftsführer des Ausrichters Jaypee Sports International, Sameer Gaur. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir 2015 wieder dabei sind.“ Vettel hätte auch nichts dagegen. „Die Strecke ist mehr oder minder brandneu, da bin ich sicher, dass wir in der Zukunft wiederkommen“, sagte der 26-Jährige. Papierkram hin, Papierkram her.
Die Formel 1 hat ihren Expansionskurs in den vergangenen Jahren beschleunigt. Für die kommende Saison stehen mit dem Olympia-Ort Sotschi und dem Event in New Jersey vor der Skyline New Yorks zwei Debütanten in den Startlöchern.
Die Formel-1-Premieren zwischen 2004 und 2014:
* noch nicht durch den Weltverband FIA bestätigt