Fußball Warum die NRW-Stadionallianz einigen Ärger verspricht

DORTMUND/DÜSSELDORF · Die Fußball-Erst- und Zweitligisten in NRW gehen ein Bündnis mit dem NRW-Innenministerium ein. „Pro Fans“ beklagt, wieder ausgeschlossen zu sein.

Die Vereinsvertreter, darunter (vorne von links): Gladbachs Geschäftsführer Stephan Schippers, BVB-Chef Hans-Joachim Watzke, NRW-Innenminister Herbert Reul, Alexander Wehrle (1.FC Köln), Thomas Röttgermann (Fortuna Düsseldorf) und Ilja Kaenzig (VfL Bochum). Hinten: Markus Rejek (Arminia Bielefeld), Fernando Carro (Bayer Leverkusen), Alexander Jobst (Schalke 04) und Martin Hornberger (SC Paderborn).

Foto: Jochen Tack / IMNRW

. Es ist ein Bündnis mit Zündstoff: Die Polizei in Nordrhein-Westfalen und die Vereine der 1. und 2. Bundesliga in NRW gehen von nun an gemeinsame Wege bei der Prävention und Bekämpfung von Gewalt im Zusammenhang mit Fußballspielen. Das zumindest haben sie am Montag gemeinschaftlich unterzeichnet, zusammen mit NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Neun Vertreter der neun Profiklubs verpflichteten sich mit ihrer Unterschrift im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund auf eine Kooperationsvereinbarung zu „Stadionallianzen gegen Gewalt“.

„Wir gehen damit ein seit Jahrzehnten bestehendes Problem an. Enger Austausch und Kooperation sind die Schlüssel für weniger Gewalt im Fußball. Ich hoffe, dass wir hier und heute den Anfang vom Ende dieser Auswüchse rund um Fußballspiele in Nordrhein-Westfalen erleben“, sagte Reul. Für die Erstligisten Borussia Dortmund, Borussia Mönchengladbach, Bayer Leverkusen, Schalke 04, 1. FC Köln, Arminia Bielefeld sowie die Zweitliga-Clubs SC Paderborn, VfL Bochum und Fortuna Düsseldorf unterzeichneten Mitglieder des Vorstandes die Vereinbarung.

Ein großes Problem sei die Verwendung von Pyrotechnik

Hintergrund der Kooperation sei die stetig wachsende Gewaltbereitschaft im Zusammenhang mit Fußball, so die Verlautbarung. „Wir akzeptieren es nicht, dass uns der Fußball, diese schönste Nebensache der Welt, von Hooligans, Rassisten und Chaoten kaputtgemacht wird“, so der Minister.

So wurden laut Mitteilung des Landes NRW während der Saison 2018/2019 am Rande von Fußballspielen in Nordrhein-Westfalen 276 Menschen verletzt und 1 615 Strafverfahren eingeleitet. mmer wieder komme es zu offenen Hass-Bekundungen und Rassismus in den Stadien. Ein großes Problem sei zudem die Verwendung von Pyrotechnik, die im vollbesetzten Stadion Menschenleben in Gefahr bringe, sagte Reul. Auch vor den Stadien und auf dem Weg zum Spiel komme es häufig zu Ausschreitungen und Gewaltexzessen. 530 000 Stunden wurden 2018/2019 von der NRW-Polizei geleistet, um Schlimmeres am Rande von Fußballspielen zu verhindern.

Reul sprach sich in diesem Zusammenhang dagegen aus, den Vereinen Polizeieinsätze in Rechnung zu stellen. „Man löst nämlich kein Problem, indem man die Verantwortung dafür verschiebt. Lösen können wir nur gemeinsam, mit abgestimmten Maßnahmen der Polizei, der Vereine und allen weiteren Netzwerkpartnern, im regelmäßigen Austausch auch mit den Fans, die ich ausdrücklich mit einbeziehe“, so der Minister. Ein offenes Geheimnis ist, dass die Vereine die wohl drohende Auseinandersetzung mit Teilen der eigenen Fanszene mit diesem Bündnis in Kauf nehmen, um in NRW nicht weiter damit rechnen zu müssen, schon bald für nicht mehr verhältnismäßige Polizeieinsätze belangt zu werden, wie das in Bremen zuletzt der Fall gewesen ist.

Die Allianzen an den jeweiligen Spielorten zwischen dem Verein und der örtlichen Kreispolizeibehörde sollen nun nach einheitlichen Standards eingerichtet und individuell ausgestaltet werden. Regelmäßiger Austausch, gemeinsame Übungen, Abstimmungen und klare Ansprechpartner sollen Bestandteil der Kooperation sein.

„Pro Fans“ sieht repressive Maßnahmen, die hoffähig würden

So sehr der Minister die Fans verbal miteinbezog in die Allianz: zugehörig scheinen sie sich nicht zu fühlen. Jedenfalls nicht im Sinne der Vereinbarung. Das bundesweite Fanbündnis „ProFans“ äußerte lautstarke Kritik. „Wieder einmal wurden Vereinbarungen, die vor allem uns Fans betreffen, völlig an den Betroffenen vorbei getroffen“, hieß es in einer am Montag veröffentlichten Erklärung des Fanbündnisses. Der „viel beschworene Dialog auf Augenhöhe mit Fans“ sei weder von Seiten der Funktionäre noch von den politischen Entscheidungsträgern gewollt. „Das lässt alle vollmundigen Bekenntnisse seitens der Funktionäre und der Politik zur Bedeutung der Fans für den Fußball wie reinen Hohn erscheinen“, sagte ProFans Dortmund Sprecher Nicolai Mäurer.

Die Kritik der organisierten Fußball-Anhänger: „In den Forderungen zur Behandlung von Stadionverboten und Spruchbändern ist aus Sicht von ProFans ein Angriff auf die kritische und organisierte Fankultur zu erkennen. Es kann nicht sein, dass Herr Reul und die Polizei NRW versuchen, die Deutungshoheit über rechtlich zulässige Meinungen zu erzwingen und sie damit zu kriminalisieren“, kommentierte ProFans Sprecher Stephan Schell. Zudem seien Stadion- und Betretungsverbote sowie Meldeauflagen als „repressive Maßnahmen“ keine geeigneten Mittel, sondern hätten zur Verschärfung des Konflikts geführt.

„Das aktuelle Papier bedeutet an vielen Standorten einen Rückschritt in diesem Spannungsfeld, nachdem es in den letzten Jahren lokal durchaus vorsichtig positive Entwicklungen gab.“ Das Bündnis vermutet vielmehr in dem Papier ein wahltaktisches Manöver, das der Kommunalwahl am vergangenen Wochenende zuzuschreiben sei, zumal die Stadionallianz noch vor dem jüngsten Wochenende und der Kommunalwahl in NRW angekündigt worden sei.

„Symbolpolitik auf Kosten der Fankurven“

Auch vermisse man die „Verantwortung der Polizei für ein positives Fußballerlebnis. Fußballspiele in Deutschland sind die sichersten Großveranstaltungen des Landes“ Die meisten Verletzten seien vor allem durch „fragwürdige polizeiliche Maßnahmen in Menschenmassen zu verzeichnen – insbesondere durch den unangemessenen Einsatz von Pfefferspray“. Und: „ProFans fordert die Politik und Funktionäre im Sinne aller Beteiligten auf, endlich die Symbolpolitik auf Kosten der Fankurven zu unterlassen.“