Palästinensischer Olympia-Traum: Israelis besiegen
Assira Schamalije (dpa) - Die Palästinenserin Worud Sawalcha sitzt im lichtdurchfluteten Olivenhain ihrer Eltern im Westjordanland - in vier Monaten wird die Leichtathletin bei den Olympischen Spielen in London an den Start gehen.
Ihr Olympia-Ticket hat die 20-Jährige nicht per Qualifikation in internationalen Wettkämpfen gewonnen. Sie hat eine Sondereinladung, eine sogenannte Wildcard, erhalten. „Ich würde gerne aller Welt zeigen, dass Palästinenser besser als Israelis sein können“, sagt Sawalcha.
Chancen auf eine Medaille rechnet sich Sawalcha nicht aus. „Ich weiß, dass meine Teilnahme nur symbolisch ist“, sagt die 1,65 Meter große und 47,5 Kilogramm leichte Läuferin. Ihre persönliche Bestzeit über 800 Meter liegt bei 2:49 Minuten - rund eine Minute über dem Weltrekord. „Aber die Menschen werden in London sehen, dass es uns Palästinenser als ganz normale Menschen überhaupt gibt. Es ist für mich sehr wichtig, für mein Land an den Start zu gehen.“
Im Olivenhain bei dem Dorf Assira Schamalije riecht es nach frischer Erde, nach Blumen und Holzfeuer. Sawalcha trägt einen blauen Jogginganzug mit einer aufgenähten palästinensischen Flagge. An den Füßen Laufschuhe. Auf dem Kopf trägt sie ein schwarzes Hidschab-Tuch, das sie aus religiösen Gründen auch beim Laufen nicht ablegt: „Ich werde wohl die Einzige sein, die mit dem Hidschab antritt.“
Sawalchas Trainingsbedingungen sind nicht die einfachsten. „Ich laufe jeweils vormittags und nachmittags mehrere Stunden“, schildert sie ihr Olympia-Training. Im ganzen Westjordanland aber gibt es nicht eine einzige Aschenbahn. Deshalb ist die Asphaltstraße, die sich vor dem kleinen Anwesen ihrer Eltern durch die hügelige Landschaft windet, ihre Trainingsstrecke. Unter einem klaren blauen Himmel läuft sie mit schon leicht abgewetzten Schuhen Kilometer um Kilometer.
„Vor zwei Wochen habe ich zum ersten Mal an einem internationalen Leichtathletik-Wettbewerb in Istanbul teilgenommen. Da bin ich auch das erste Mal überhaupt in meinem Leben mit Spikes gelaufen“, sagt die junge Frau. Sawalcha kam bei der Hallen-WM als Letzte ins Ziel, stellte aber eine neue Bestzeit über 800 Meter für das Westjordanland auf. Mehr als 40 Medaillen und Trophäen hat sie bei lokalen Wettbewerben abgeräumt. Palästinenser nahmen zum ersten Mal im Jahr 1996 an Olympischen Spielen teil - in London sind auch Baha Alfarra (Leichtathletik), Sabin Hasbun (Schwimmen) und Ahmed Dschibril (Schwimmen) dabei.
Für die mangelnde Entwicklung des Spitzensports in den palästinensischen Gebieten macht der Leiter der palästinensischen Olympia-Delegation, Hani Halabi, vor allem die Israelis verantwortlich. Sie behinderten die palästinensischen Sportler systematisch, meint er. „Sie lassen Sportausrüstungen, die vom Ausland gespendet wurden, einfach nicht zu uns durch“, klagt auch die Sprecherin der Delegation, Ghada Kasasfe. Zum Nationalen Olympischen Komitee Israels gebe es keine Beziehungen.
Sawalcha ist bei so viel Politik manchmal auch etwas mulmig zumute. „Zuerst war meine Nominierung für London durch unser NOK ein Schock für mich. Warum so viel Verantwortung? Aber dann habe ich eigentlich deshalb zugesagt.“ Angesprochen auf das Attentat palästinensischer Terroristen auf die Olympischen Spiele in München 1972 antwortet sie bestimmt: „Das hätte nie geschehen dürfen. Damals waren andere Zeiten, aber so etwas darf nie wieder geschehen.“