„Dima“ Ovtcharov macht Boll den Weg frei

Dortmund (dpa) - Dimitrij Ovtcharov macht Timo Boll den Weg frei. Der Vollblut-Profi aus Hameln, der für Fakel Orenburg in Russland spielt, hat sich spätestens bei der Weltmeisterschaft in Dortmund als Nummer zwei hinter Top-Star Boll im Europameister-Team etabliert.

Für Bundestrainer Jörg Roßkopf führt kein Weg an „Dima“ vorbei. Weil bei dem WM-Spielsystem die Spitzenleute üblicherweise im vierten Einzel gegeneinander antreten, muss Ovtcharov anfangs gegen die Nummer eins des Gegners ran - in der Vorrunde hat er sie regelmäßig abgeräumt.

„Ich setzte mich selbst unter Druck und erwarte von mir, dass ich alle Spiele gewinne“, erklärte Ovtcharov. Der große Ehrgeiz ist nur manchmal ein Problem. Gleich zweimal verkrampfte er in Endspielen um die deutsche Meisterschaft gegen Bastian Steger (Saarbrücken). Dafür ist der Rechtshänder international auf Platz zehn der Weltrangliste vorgerückt, nur vier Plätze schlechter als Boll. Damit hat der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB) erstmals zwei Top-Ten-Spieler, die dem Verband gute Setzplätze bei WM und Olympia bescheren.

Seinen größten Erfolg als Einzelspieler feierte der EM-Dritte von 2007 im Februar, als er in Abwesenheit des WM-Dritten Boll das Europa-Top-12-Turnier in Lyon gewann. Mit seiner ungemein aggressiven Spielweise und einem verbesserten Aufschlagsspiel dominierte er die Konkurrenz nach Belieben. Auch Roßkopf war nach der Gala-Vorstellung schwer beeindruck. „Es wäre auch für Timo Boll schwer gewesen, Dima in dieser Form zu schlagen“, urteilte der Bundestrainer.

„Ich versuche stets, aggressiver zu spielen, auch weil die Chinesen so spielen“, sagte Ovtcharov. Der gebürtige Ukrainer, der bereits im Alter von drei Jahren mit seinen Eltern nach Deutschland zog, ist ein Mann der klaren Worte. „Unser Ziel ist ganz klar das WM-Finale. Alles andere wäre eine Enttäuschung“, erklärte der Top-12-Gewinner. Ähnlich wie sein Kumpel Boll - vor WM-Lehrgängen übernachtet er manchmal im Haus des Rekord-Europameisters im Odenwald - orientiert sich Ovtcharov an den weltbesten Chinesen.

Ihnen will er näher rücken, geht dabei aber einen anderen Weg als Boll. Ovtcharov verließ 2009 den Bundesligisten Borussia Düsseldorf und wechselte zunächst nach Belgien und später nach Russland. Dort verdient er gutes Geld und hat mehr Zeit, gezielter zu trainieren. Die Einsätze für Orenburg sind begrenzt. „Diese Möglichkeiten waren in Deutschland nicht da. Der finanzielle Aspekt spielt natürlich auch eine Rolle“, erläuterte er sein Engagement für den russischen Champions-League-Finalisten: „Das ist ein absoluter Top-Club.“

Den „schlimmsten Tag in meinem Leben“ hat Ovtcharov trotz seines jungen Alters wahrscheinlich schon hinter sich. Im September 2010 geriet er unter Doping-Verdacht, nachdem bei einer A- und B-Probe Clenbuterol festgestellt worden war. In einem bemerkenswerten Verfahren wiesen er und sein Anwalt nach, dass das verbotene Mittel unwissentlich durch kontaminierte Nahrung während eines Turniers in China in seinen Körper gelangt sei. Der DTTB hob die Suspendierung auf, die Anti-Doping-Agenturen NADA und WADA verzichteten auf einen Einspruch. Nach einer kleinen Tief spielt Ovtcharov seit Monaten in starker Form. Er ist der zweite Abräumer im deutschen WM-Team.