Armstrong stiftet Unruhe - Sieg ohne Doping „unmöglich“
Porto Vecchio (dpa) - Der Geächtete meldet sich pünktlich zum Start der 100. Tour de France wieder zu Wort - und sorgt für Unruhe in der allgemeinen Jubiläumsstimmung.
Der geständige Doper Lance Armstrong hält es für „unmöglich, die Tour de France ohne Doping zu gewinnen“. Das sagte der 41-Jährige, der die Rundfahrt durch seine inzwischen aberkannten Siege zwischen 1999 und 2005 beherrschte, in einem Interview der Zeitung „Le Monde“.
Als die Meldung im Netz Wellen schlug, machte er aber einen Rückzieher und präzisierte, dass seine Äußerung auf nur seine siebenjährige Tour-Regentenzeit gemünzt gewesen sei. „Heute? Keine Ahnung, ich hoffe, es ist möglich“, twitterte er.
Für seine These, die Gabe des Blutdopingmittels EPO sei im Ausdauersport noch immer aktuell, bemühte er einen Vergleich: „EPO hilft sicher keinem 100-Meter-Sprinter, aber einem 10 000-Meter-Läufer.“ Das war auch als Hinweis auf die Tour zu verstehen.
Der lebenslang gesperrte Ex-Radprofi verdächtigte zudem „große Fußball-Clubs“, in die Doping-Affäre um den Mediziner Eufemiano Fuentes verwickelt gewesen zu sein. Zum Abschluss des Puerto-Prozesses zu Jahresbeginn hatte die Richterin in Madrid verfügt, dass die bei dem verurteilten Fuentes gefundenen rund 200 Blutbeutel von Sportlern zu vernichten seien. „Ich bin sicher, große Fußball-Clubs hatten Einfluss auf diese Entscheidung“, sagte Armstrong in dem Interview dazu.
Er habe in seiner aktiven Zeit nie eine positive Doping-Kontrolle gefürchtet. „Unser System war ohne Risiken“, sagte der Texaner, der sich „weiter als Tour-Rekordsieger“ fühlt. „Der Zoll oder die Polizei haben mir mehr Angst eingejagt.“
Er vertreibe sich seine Zeit zu Hause jetzt mit „Golfspielen, mit meinen fünf Kindern - und Radfahren“. Bis zu vier Stunden am Tag: „Das ist wie eine Therapie und macht den Kopf frei“, sagte der tief gefallene, einstige Superstar der Szene, der durch die laufenden Regress-Prozesse weder seinen finanziellen Ruin noch eine Haftstrafe wegen Meineids befürchtet. „Haben Sie Angst vor einer Gefängnisstrafe?“, fragte die Zeitung. Antwort: „Nein“.
Den einstigen französischen Radsport-Volkshelden Laurent Jalabert, der mit handfesten Indizien des Dopings beschuldigt wird, aber sich noch um ein klares Bekenntnis drückt, nannte er einen Lügner. Vor dem merkwürdigen Teilgeständnis seines einstigen Dauerrivalen Jan Ullrich zog der Texaner den Hut. „Ullrichs Beichte hat mich überrascht. Von anderen erwarte ich nichts Ähnliches. Schweigen ist die Normalität.“ Jalabert wurde vor wenigen Tagen als TV-Kommentator der Tour zurückgezogen.
Auch Pat McQuaid, der Präsident des Weltverbandes UCI und einst mit Armstrong befreundet, bekommt sein Fett weg. Der Ex-Profi plädiert für einen Wechsel an der UCI-Spitze, die sich mit dem britischen Gegenkandidaten Brian Cookson bei der Wahl im September anbieten könnte. „Ich denke, dass der Radsport eine neue Führung braucht, um seine Glaubwürdigkeit wiederzuerlangen. Solange er an der Spitze steht, wird sich nichts ändern“, sagte Armstrong.
McQuaid hielt dem einst siebenmaligen Tour-de-France-Gewinner in einer prompten Reaktion vor: „Er hilft dem Radsport nicht und liegt völlig falsch. Die Radsport-Kultur hat sich seit der Armstrong-Ära geändert.“ Der fünfmalige französische Toursieger Bernard Hinault, seit Jahren Mitglied der Tour-Organisation, sagte am Freitag dem lokalen TV-Sender BFM: „Armstrong weiß offensichtlich nicht, wie es ist, ungedopt zu fahren.“
Tour-Direktor Christian Prudhomme wies am Freitag einen Tag vor dem Start der 100. Frankreich-Rundfahrt auf Korsika in einem Interview der Sportzeitung „L'Équipe“ pauschale Verdächtigungen gegen den Radsport zurück. „Die Realität ist, dass der Radsport stigmatisiert wird. Und das ist nicht gerecht. Der Feind ist das Doping - nicht dieser oder jener Sport.“