Beben im Radsport - USADA kritisiert UCI: „Versagen“
Berlin (dpa) - Der Name Armstrong fiel auf dem Podium in Paris bei der feierlichen Präsentation der 100. Tour de France nicht. Trotzdem war der Texaner in der Radsport-Hauptstadt im Palais des Congrès allgegenwärtig.
Die Branche wird von weiteren Erschütterungen auch nach der Aberkennung aller Armstrong-Siege nicht verschont bleiben. Die Staatsanwaltschaft Padua will zeitnah ihren Bericht zum bereits lebenslang gesperrten Armstrong-Mediziner Michele Ferrari vorlegen. Am 28. Januar beginnt in Spanien der Prozess gegen den mutmaßlichen Dopingarzt Eufemiano Fuentes und seine Helfer.
USADA-Chef Travis Tygart, der dem Weltverband die gegen Armstrong ausgesprochenen Strafen zur Ratifizierung vorgelegt hatte, kritisierte die UCI nach einem erstem Lob für ihr Verhalten. „Sie versuchen einfach nur von ihrem eigenen Versagen in dieser traurigen Saga abzulenken und diejenigen, die das Radfahren und einen sauberen Sport lieben, sollten dies nicht erlauben“, teilte Tygart dem englischen „Guardian“ in einer Email mit.
Die US-Anti-Doping-Agentur USADA hatte mit ihrem Bericht und zahlreichen Zeugenaussagen maßgeblich zum Sturz des ehemals umjubelten Seriensiegers beigetragen. Die UCI hatte nach ihrer Entscheidung am Montag bemängelt, dass die Veröffentlichung „übertriebene Sprache“ und „unkorrekte und unvollständige Aussagen“ enthalte. Zudem hätten die gesammelten Beweise nach Ansicht des Weltverbandes, dem einige Zeugen Komplizenschaft zu Armstrong unterstellt hatten, von einer neutralen Stelle geprüft werden sollen. Das hätte nach UCI-Ansicht am besten der Internationale Sportgerichtshof CAS getan.
Nach Ansicht von John Fahey, dem Präsidenten der Welt-Anti-Doping- Agentur WADA, müsse die UCI ihre „Scheuklappen ablegen“. „Wenn Doping so weit verbreitet war, ist die Frage legitim: Wer hat es gestoppt? Wer hat etwas dagegen getan? Warum wurde es nicht gestoppt“, sagte der Australier dem TV-Sender Fox Sports. Armstrongs ehemaliger Teamkollege Scott Mercier, dem im US-Postal-Team 1997 Doping angeboten worden sei, forderte am Mittwoch McQuaid zum Rücktritt auf.
Die Vereinigung der Profiteams (AIGCP) machte sich für eine unabhängige Kommission zur Untersuchung der Anti-Doping-Maßnahmen im Radsport stark. AIGCP-Präsident Jonathan Vaughters rief in Paris den Weltverband UCI auf, diesen Schritt zu unterstützen. „Die Kommission sollte sich die Umsetzung, die Theorie und das Funktionieren der Maßnahmen anschauen“, sagte der frühere amerikanische Radprofi und heutige Garmin-Sharp-Teamchef dem Internetportal cyclingnews.com.
Die Profi-Rennställe seien bereit ihren Teil der Kosten für das Projekt zu tragen, betonte Vaughters. „Wir hoffen, dass die anderen Interessengruppen im Radsport bereit sind, uns finanziell dabei zu helfen.“ Die WADA solle beim Aufbau der Kommission helfen. Vaughters ist seit Jahren lautstarker Fürsprecher im Anti-Doping-Kampf und hatte als Kronzeuge gegen seinen früheren US-Postal-Teamkollegen Armstrong ausgesagt.
Nicht nur Armstrong - auch sein Dauerrivale Jan Ullrich verliert ein Gelbes Trikot. Der Toursieger von 1997 will eines der begehrten Kleidungsstücke für wohltätige Zwecke zur Verfügung stellen. Der nicht mehr aktive und wegen der Kooperation mit Fuentes gesperrte Radprofi lässt über das Online-Auktionsportal United Charity ein Trikot zugunsten eines Kinderprojektes versteigern.