FIFA kontrolliert selbst Fußball-Weltverband bei WM-Doping sorglos

Moskau (dpa) - Es ist gerade einmal vier Jahre her, als Russland letztmals die Sportwelt zu Gast hatte - und im Nachhinein bleibt Sotschi 2014 wohl als größter Betrug der Olympia-Geschichte in Erinnerung.

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Dass die stolze Sportnation ihr Heimrecht auch bei der Fußball-WM derart dreist missbrauchen könnte, bereitet FIFA-Chef Gianni Infantino keine Sorgen. „Wir haben alles getan, was wir tun konnten“, sagt Infantino und schiebt das leidige Doping-Thema lieber schnell beiseite. Probleme - von all den Korruptionsskandalen bis hin zum Wirbel um die Vergabe der WM 2026 - hat der Weltverband schon genug, da muss es nicht auch noch Doping sein.

Und damit erst gar keine unliebsamen Schlagzeilen aufkommen, übernimmt die FIFA die Kontrollen gleich selbst. Ein Vorgang, der Andrea Gotzmann als Vorsitzende der Nationalen Anti-Doping-Agentur fassungslos macht: „Der Sport kontrolliert sich hier wieder selbst, davon wollen wir wegkommen.“ Gotzmann sind die dunklen Jahre im Radsport noch bestens in Erinnerung, als der Weltverband UCI als Komplize des nun lebenslang gesperrten US-Radstars Lance Armstrong auftrat.

Die FIFA weist derartige Bedenken zurück, alles sei im Einklang mit der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Und überhaupt: Solch beispiellose Vorgänge wie in Sotschi, als die Gastgeber zu nächtlicher Stunde mit einem perfekt ausgeklügelten Betrugssystem Proben russischer Spitzensportler unter Mithilfe des Geheimdienstes ausgetauscht hatten, seien bei der WM nicht möglich.

Bei den Kontrollen werden die russischen Gastgeber „vom Beginn bis zum Ende“ außen vor sein, wie FIFA-Chefarzt Michel D'Hooghe betont. Es wird keine russischen Chaperons geben, die die Spieler zu den Kontrollen begleiten und die Proben werden auch nicht in Moskau, sondern im Anti-Doping-Labor in Lausanne ausgewertet.

Thema erledigt. Wie auch die Anschuldigungen gegen russische Nationalspieler. Es habe keine Beweise gegen Spieler aus dem aktuellen Kader gegeben, verkündete die FIFA. Ob tatsächlich gesucht wurde, bleibt im Dunkeln. Wie so vieles, schließlich war im Bericht des WADA-Sonderermittlers Richard McLaren auch die Rede von 154 verdächtigen Fußballern, auch aus dem WM-Team 2014. „Ich glaube im gesamten Weltfußball haben keine zehn Leute den McLaren—Report von vorne bis hinten gelesen und sich schon gar nicht Gedanken gemacht, was das für die WM in Russland bedeutet hätte. Die Weltmacht Fußball muss nicht lesen“, sagt Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel der Deutschen Presse-Agentur.

Kronzeuge Grigori Rodtschenkow, einst Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors, hatte mit seinen Enthüllungen den Skandal ins Rollen gebracht. Vom früheren Sportminister Witali Mutko habe er die Anweisung erhalten, dass man keine positiven Fälle im Fußball gebrauchen könne.

Rodtschenkow genießt inzwischen das Zeugenschutzprogramm in den USA. In Russland gilt er als Staatsfeind, wie auch ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt, der mit seinen Recherchen maßgeblich die dunklen Machenschaften in Russland aufgedeckt hat. Ob Seppelt zur WM fährt, ist noch unklar. Zwischenzeitlich hatte Russland dem 55-Jährigen das Visum verweigert, was zum PR-Desaster für Wladimir Putin wurde. Nun darf Seppelt einreisen, soll sich dann aber zwecks einer Befragung dem Staatlichen Untersuchungskomitee stellen.

Unmittelbar vor und während der WM wird die FIFA Blut- und Urinkontrollen bei den Spielern durchführen. Glaubt man Sörgel, kann sich der Weltverband das Geld sparen: „Während der WM selber wird wohl nichts passieren. Einen Dopingskandal während der WM wird es wohl erst wieder geben, wenn die WM mal 80 Mannschaften umfasst und kleine Länder ohne große Erfahrung in der Vertuschungstechnik dazukommen.“ Trotzdem glauben 49 Prozent der Deutschen, dass bei der WM gedopte Spieler antreten werden, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov ergab.

Den letzten WM-Dopingfall hatte es 1994 gegeben, als Diego Maradona mit Ephedrin erwischt worden war. So ist die Zahl von Positivfällen verschwindend gering. Im Jahr 2016 hatte es 33 000 Kontrollen gegeben, von denen nur 150 auffällig waren. Und selbst da gab es nicht immer Konsequenzen. Gerade erst wurde die Sperre von Perus früherem Bundesliga-Profis Paolo Guerrero vorläufig ausgesetzt.

Zurück zu den Russen. Mutko hatte stets behauptet, dass es bei der Sbornaja keine Manipulationen gegeben habe und mit Sarkasmus auch auf die schwachen Leistungen verwiesen: „Wenn wir so mit Doping spielen, dann stellen Sie sich vor, wie wir ohne spielen würden.“