Contador macht weiter und will Sperre anfechten
Madrid (dpa) - Der „Fall Contador“ und kein Ende: Der spanische Radprofi gibt nicht auf. Alberto Contador will nach Ablauf der zweijährigen Dopingsperre seine Karriere fortsetzen und erwägt, das Urteil des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS) anzufechten.
„Meine Anwälte prüfen, welche Möglichkeiten es gibt“, sagte der Spanier auf einer Pressekonferenz in seinem Heimatort Pinto bei Madrid. „Aber ich habe ihnen schon gesagt, dass ich bis zum Ende weiterkämpfen will.“
Der Tour-de-France-Sieger war am Montag nach 18-monatigem Verfahren vom CAS des Clenbuterol-Dopings für schuldig befunden und insgesamt für zwei Jahre gesperrt worden. Dagegen ist im Grundsatz nur ein Einspruch vor dem Schweizer Bundesgericht möglich. Contador nahm auch seine Ankündigung aus dem Vorjahr zurück, im Falle einer Verurteilung seine Karriere zu beenden. „Ich werde zu 100 Prozent weitermachen“, betonte er auf der mit Spannung erwarteten Pressekonferenz in einem Hotel in der Madrider Vorstadt.
Seine Sperre läuft am 5. August dieses Jahres ab. Contador kämpfte vor einem Pulk von Mikrofonen zeitweise mit den Tränen; die überwiegend spanischen Reporter spendeten ihrem Landsmann aufmunternden Beifall. „Ich verstehe das Urteil nicht“, beklagte sich Contador. Nach dem Urteil sei Clenbuterol durch einen verunreinigten Nahrungsmittelzusatz in seinen Körper gelangt. „Man legte mir weder Nachlässigkeit noch einen Vorsatz zur Last, und trotzdem wurde ich zur Höchststrafe verurteilt.“
Das harte CAS-Urteil spaltet den Radsport: Die Spanier verurteilten den Richterspruch, andere hofften auf eine Signalwirkung. Contador selbst steht ganz anderen Problemen gegenüber - dem 29 Jahre alten Rad-Star drohen Rückzahlungen in Höhe von zehn Millionen Euro.
Spaniens Presse reagierte entrüstet auf die Entscheidung aus Lausanne. „Der CAS hat den Verstand verloren“, klagte die Sportzeitung „Marca“ und bezeichnete die überraschend harte Zwei-Jahres-Sperre gegen den Radprofi als „skandalösen Handstreich“. Außerhalb Spaniens wird die Strafe dagegen auch als Beweis für effektiven Anti-Doping-Kampf gewertet.
Unerwartet war die heftige Reaktion in Spanien freilich nicht. Schon während langen Wartezeit auf das Urteil, das Contador mit seiner kühnen These von einem mit Clenbuterol verseuchten Steak verhindern wollte, hatten vom Verbandschef bis zu Teamkollegen, vom Tennis-Ass bis zum Regierungschef alle für den 29-Jährigen Partei ergriffen. „Jämmerlich“, twitterte Tennisprofi Rafael Nadal. Die Sperre sei „kompletter Irrsinn“, schrieb „El Mundo“. Die Strafe werde „vor allem Verwirrung stiften“, kommentierte „El Periódico de Catalunya“.
In anderen Ländern wurde das Urteil der drei CAS-Richter hingegen als positives Signal gesehen. „Diese Warnung muss nun im Fahrerfeld von jenen erhört werden, die weiterhin gegen die Windrichtung in die Pedale treten“, fand das französische Sportblatt „L'Équipe“. Für den „Nouvel Observateur“ ist die verhängte Sperre „der letzte Beweis dafür“, dass Doper nicht mehr „durchs Netz schlüpfen können“.
Italiens Radsport-Präsident Renato Di Rocco unterlegte seine Bewertung des Schuldspruchs mit einem Seitenhieb in Richtung Spanien. „Die Disqualifikation ist ein Akt der Gerechtigkeit. Zum spanischen Radsportverband erübrigt sich jeglicher Kommentar, genauso wie zur Haltung der spanischen Regierung in Bezug auf Doping. Zum Glück setzen übergeordnete Instanzen die Regeln durch.“
Ähnlich sieht es Cadel Evans, im Vorjahr Sieger der Tour und am Sonntag noch neben Contador bei der Mallorca Challenge auf dem Rad. „Der Radsport hat mehr als genug getan, um zu beweisen, dass der richtige Weg eingeschlagen ist“, sagte der Australier bei „Fox News“. Kritik fand Evans für die lange Dauer des Verfahrens. Auch Tour-Direktor Christian Prudhomme klagte: „Das Urteil kam nach 565 Tagen. Das ist zu lange. Auch wenn die Sportjustiz in Ruhe arbeiten muss und der Fall außergewöhnlich komplex war, müssen Entscheidungen dieser Art schneller gefällt werden.“
Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, die neben dem Weltverband UCI beim CAS in Lausanne gegen Contador geklagt hatte, verteidigte das Vorgehen. „Wir hätten es bevorzugt, wenn es schneller gegangen wäre. Doch es war ein komplexer Fall mit rund 4000 Seiten Dokumenten“, erklärte WADA-Präsident John Fahey. Knapp 100 Seiten benötigten die Richter für das Urteil, in dem Contadors These abgeschmettert wurde.
Die öffentliche Meinung dürfte Contador und sein Team weniger beschäftigen als der drohende finanzielle Schaden. Die UCI fordert eine Strafe von knapp 2,5 Millionen Euro und darüber hinaus 70 Prozent des Jahreseinkommens des Rundfahrtspezialisten, das auf rund fünf Millionen Euro geschätzt wird. Dazu kommen wohl Preisgelder, die zurückzuzahlen sind - und die Kosten für Contadors Anwälte. Ein Gesamtschaden von rund zehn Millionen Euro scheint realistisch.
Außerdem muss Contadors Team Saxo Bank die Aberkennung des Elitestatus befürchten. Wie die UCI bekanntgab, wird die Lizenzierungskommission prüfen, ob die Streichung aller Ergebnisse des Spaniers seit 21. Juli 2010 Folgen für die Equipe von Teamchef Bjarne Riis hat. Nach Angaben der UCI gingen 68 Prozent der 2011 erzielten Punkte von Saxo Bank auf das Konto Contadors. Ohne diese Zähler „erfüllt das Team nicht mehr die sportlichen Kriterien für die UCI WorldTour“, teilte der Verband mit.
Immerhin will der Hauptgeldgeber Saxo Bank auch ohne Kapitän Contador weitermachen. Die Zwei-Jahres-Sperre „wirkt sich nicht auf unser Sponsoring aus“, teilte das Geldhaus mit.