Degenkolb nach Platz zwei in der „Hölle“ stolz
Roubaix (dpa) - John Degenkolb strahlte und war mächtig stolz, als er im ehrwürdigen Velodrome von Roubaix nach all den Strapazen auf das Podium kletterte.
Als „erster Verlierer“ hinter dem niederländischen Sieger Niki Terpstra fühlte sich der gebürtige Thüringer nun wirklich nicht, wie er nach seinem beeindruckenden zweiten Platz in der „Hölle des Nordens“ immer wieder betonte. „Ich genieße diesen Moment. Das ist ein großartiges Gefühl. Ein Traum ist wahr geworden, bei einem großen Radsport-Monument auf dem Podium zu stehen“, schwärmte der 25-Jährige nach seiner Gala-Vorstellung bei der 112. Auflage des Frühjahrsklassiker Paris-Roubaix.
Dabei wäre der erste deutsche Sieg bei diesem berüchtigten Rennen seit 118 Jahren vielleicht sogar möglich gewesen. Der Münchner Josef Fischer hatte die erste Auflage 1896 gewonnen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, wie Degenkolb betont. „Irgendwann will ich dieses Rennen gewinnen, ich bin noch jung. Die Zukunft gehört mir, ich werde älter und erfahrener“, sagte Degenkolb, der die Attacke von Terpstra sieben Kilometer vor dem Ziel nicht mitgegangen war. Vielleicht ein folgenschwerer Fehler.
„Manchmal muss man taktieren. Ich bedauere nichts“, erklärte der Kapitän des Giant-Shimano-Rennstalls nach dem besten deutschen Ergebnis seit dem zweiten Platz von Steffen Wesemann im Jahr 2002.
Doch auch Degenkolbs Mitstreiter verzichteten darauf in der Schlussphase dieses 257 Kilometer langen Rennens, davon 51,1 Kilometer über die berüchtigten Kopfsteinpflaster-Passagen aus den Zeiten Napoleons, noch einmal Terpstra hinterher zu fahren. So kam es „nur“ zum Sprint einer zehnköpfigen Gruppe um den zweiten Platz. Und dabei ließ Degenkolb gar den großen Favoriten Fabian Cancellara, der noch in der Vorwoche bei seinem Gewinn der Flandern-Rundfahrt Sprintqualitäten bewiesen hatte, deutlich hinter sich.
Als „nächsten Schritt des Wachstums“ bezeichnete Degenkolb seinen Erfolg. Dabei war er zwischenzeitlich schon abgehängt worden. Sein großes Kettenblatt war gebrochen. Ausgerechnet in einer Phase, als der belgischer Klassikerkönig Tom Boonen, der das Rennen schon viermal gewann, eine harte Attacke startete und das Feld auseinanderriss.
„Das hat Kraft gekostet, auch bei meinen Teamkollegen“, berichtete Degenkolb, der es aber wieder in die Cancellara-Gruppe schaffte. Und an der Seite des Schweizer Ausnahmefahrers wurden 25 Kilometer vor dem Ziel auch die Ausreißer um Boonen eingeholt, nachdem der Rückstand zwischenzeitlich 50 Sekunden betragen hatte.
Immer wieder war es zu Attacken gekommen, die dem großen Favoriten Cancellara das Leben gehörig schwer machten. Damit fiel die programmierte Fahrt in die Geschichtsbücher für den viermaligen Zeitfahr-Weltmeister aus. Mit einem vierten Triumph hätte der Berner zu den belgischen Rekordsiegern Boonen und Roger De Vlaeminck aufschließen können und als erster Radprofi zum dritten Mal das begehrte Double aus Flandern-Rundfahrt und Roubaix gewinnen können. Doch es reichte nicht.
Es war nicht der Tag des Schweizers. Gut 80 Kilometer vor dem Ziel kam unmittelbar vor ihm sein Trek-Teamkollege Hayden Roulston (Neuseeland) spektakulär zu Fall. Cancellara entging nur knapp einem Sturz. Ansonsten ging es im Gegensatz zur Sturzserie bei der „Ronde“ glimpflich zu, auch weil das Wetter mitspielte. Bei rund 15 Grad und trockenen Bedingungen war es bei der schier endlosen Fahrt durch die tristen Rübenäcker Nordfrankreichs insbesondere eine staubige Angelegenheit.
Nach dem Zusammenschluss der Topfavoriten versuchte Peter Sagan in der Schlussphase mit einem Ausreißversuch sein Glück. Doch Cancellara war erneut Herr der Lage und führte eine kleine Gruppe mit Degenkolb wieder heran. Schließlich schlossen noch weitere Hochkaräter auf, unter anderem Terpstra, der vom taktischen Vorteil profitierte, dass er mit zwei Teamkollegen in der Spitzengruppe fuhr.
Der 29-Jährige bog als Solist auf die Betonpiste ein machte den bedeutendsten Sieg seiner Karriere 20 Sekunden vor Degenkolb perfekt.