Freigesprochener Tour-Sieger Erster öffentlicher Auftritt Froomes in Frankreich

Saint-Mars-La-Reorthe (dpa) - Saint-Mars-La-Reorthe, die örtliche Turnhalle des Städtchens im Westen Fankreichs ist proppevoll: Am Mittwoch drängten sich beim ersten öffentlichen Auftritt Chris Froomes mehr als 100 Journalisten und 20 Kamerateams.

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Drei Tage vor dem Start der 105. Tour de France proklamierte der nach einer neunmonatigen Prüfung vom Dopingvorwurf freigesprochene Radprofi aus Großbritannien nochmals seine Unschuld und bat um faire Behandlung.

„Das war eine große Herausforderung für mich und meine Familie. Eine große Last ist von meinen Schultern gefallen“, sagte Froome, der zwei Tage zuvor vom Weltverband freigesprochen worden war, weil sein überhöhter Wert des Asthmamittels Salbutamol nicht als Doping gewertet werden konnte.

Der viermalige Toursieger, der am Mittwoch ohne Bodyguard erschien, bat die Fans um Fairness: „Wenn sie Chris Froome nicht mögen, sollen sie das Trikot eines Teams anziehen, das sie unterstützen und nichts Negatives in dieses Rennen tragen“, sagte der Sky-Kapitän. Das Team und der Veranstalter hätten „geeignete Maßnahmen für die Sicherheit ergriffen“, erklärte Sky-Teamchef Dave Brailsford.

Vor der Abreise nach Frankreich hatte der Brite vorsichtige Erklärungsversuche zum Zustandekommen seines Freispruchs unternommen. Tatsächlich habe der am 7. September 2017 in Spanien gemessene Wert des Asthmamittels Salbutamol in seinem Urin weit weniger über dem erlaubten Limit gelegen als bisher publiziert. Zudem hätten eine Dehydrierung nach der schweren Etappe auf den Los Machucos und die Einnahme weiterer Medikamente gegen eine Infektion die Messung beeinflusst. Froome war in einem Interview der „Times“ zu dem zynischen Schluss gekommen: „Ich freue mich, weiter ein Botschafter für einen sauberen Radsport zu sein“.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, deren Empfehlung den Weg zum Tourstart endgültig frei gemacht hatte, setzte einen Grenzwert von 1000 Nanogramm pro Milliliter fest. Dazu gebe es allerdings einen Ermessensspielraum bis 1200 Nanogramm, erklärte WADA-Wissenschafts-Direktor Oliver Rabin. Froome bezifferte seinen Wert bei der ominösen Kontrolle vor seinem Vuelta-Sieg auf 1429 Nanogramm. Bisher war immer von knapp 2000 und einer nahezu hundertprozentigen Überschreitung die Rede gewesen.

Froome zeigte „Verständnis“ für die Skeptiker, wie er sagte. „Der Radsport hat eine schwierige Geschichte, und ein mehrfacher Toursieger muss mit Misstrauen rechnen und sich den Fragen stellen“, erklärte der umstrittene Sky-Kapitän der „Times“. Viele Zuschauer an der Strecke werden es ab Samstag womöglich anders sehen - Froome, der 2015 schon einmal in einer Ekel-Attacke mit Urin überschüttet wurde, droht ein Spießrutenlauf durch Frankreich.

Auch die WADA war nach dem viel diskutierten Freispruch im Verteidigungs-Modus. „Das war nicht das erste Mal, dass wir eine zu hohe Salbutamol-Konzentration überprüft haben. Das Außergewöhnliche an diesem Fall war, dass Froome ein sehr bekannter Sportler ist und sein Fall durch Indiskretion in die Presse gelangte“, erklärte Rabin der Internetplattform „cyclingnews“ und wies den Vorwurf des Prominenten-Rabatts zurück: „Wir verhalten uns in solchen Situationen immer gleich, jetzt und in Zukunft“.

Der Seriensieger Froome ist seit dem 4. Mai auf Rekordkurs. Sein äußerst spektakulärer Sieg beim Giro d'Italia, erst in einem historischen Endspurt herausgefahren, bedeutete den dritten Grand-Tour-Sieg in Serie. Das hatten vor ihm nur Eddy Merckx (1972/73) und Bernard Hinault (1982/83) geschafft. Jetzt wartet der vierte Streich am Stück. Als fünfmalige Toursieger bilden Jacques Anquetil, Merckx, Hinault und Miguel Indurain einen exklusiven Club. Er könnte durch Froome erweitert werden.

Mit einem weiteren Triumph in Frankreich gelänge ihm zudem das seltene Double von Giro und Tour, an dem vor drei Jahren der einst als Doper überführte Alberto Contador aus Spanien gescheitert war. Die bemerkenwerte Doublette gelang zuletzt 1998 dem 2004 gestorbenen Italiener Marco Pantani. Froome sprach am Mittwoch im Hinblick auf die nächsten dreieinhalb Wochen von der „größten Herausforderung meiner Karriere“.