Fusions-Chaos: Deutsche Radprofis im Ungewissen
Berlin (dpa) - Die Monster-Fusion der Teams RadioShack (USA) und Leopard-Trek (Luxemburg) unter der Regie des dubiosen Meistermachers Johan Bruyneel ist manchem nicht ganz geheuer.
Die arrivierten Radprofis Jens Voigt, Linus Gerdemann und Fabian Wegmann sind im Unklaren, untergeordnete Teamchefs wissen nicht Bescheid, und Alberto Contador hat Angst. „Nur ein, zwei Leute wissen, was läuft. Ich habe alles nur aus den Medien. Das ist im Moment völlig unkoordiniert“, sagte Leopard-Trek-Teamchef Thorsten Schmidt am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa. „Mir persönlich liegen mehrere Angebote vor, ich gehe aber davon aus, dass mein Vertrag weiter gültig ist.“
Der große Zampano Bruyneel, unter dessen Fittichen Lance Armstrong siebenmal die Tour de France gewann und Contador zweimal, konnte Schmid etwas beruhigen. Der Belgier hatte in einer Pressemitteilung erklärt, bestehende Verträge beider Teams behielten ihre Gültigkeit. Die neue Formation RadioShack-Nissan-Trek würde für die kommenden zwei Jahre 30 Fahrer umfassen. Namentlich wurden als Mitglieder etwa die Brüder Schleck, Zeitfahr-Weltmeister Fabian Cancellara, der deutsche Meister Robert Wagner, der zweimalige Tour-Zweite Andreas Klöden und Janez Brajkovic genannt. Das Aufgebot soll am 15. September bekanntgegeben werden.
Das neue Team werde „den Radsport die kommenden Jahre dominieren“, tönte Bruyneel, der mit seiner glücklosen RadioShack-Mannschaft in diesem Jahr bei der Tour nur hinterherzuckelte. „Wir sind nicht nur imstande, Klassiker und wichtige Etappen, sondern auch große Touren zu gewinnen“, prophezeite den Ex-Profi aus Belgien, gegen den in den USA in Zusammenhang mit der Armstrong-Affäre auch ermittelt wird.
Dem dreifachen Tour-Sieger Contador schwant - sollte er im November vom Internationalen Sportgerichtshof CAS in der Doping-Causa freigesprochen werden - für seine sportliche Zukunft Böses. „Dieser Zusammenschluss wäre nicht gut für mich. Das wäre eine unglaubliche Einheit für die großen Rundfahrten“, hatte der umstrittene Spanier in der vergangenen Woche bei seinem Vuelta-Abstecher erklärt.
Das im Vorjahr unter größtem PR-Getöse als „Real Madrid des Radsports“ kreierte Leopard-Team ist damit schon wieder Geschichte. Der mächtige Geldgeber Flavio Becca wollte sich mit Mittelmäßigkeit - große Siege fehlten dem prominent besetzten Team im Premierenjahr - nicht länger abgeben. Er holte Bruyneel als vermeintlichen Erfolgs-Garanten, der Cancellara, Schleck und Co. Beine machen soll.
Der Weg des Immobilien-Moguls Becca ist mit Millionen gepflastert - er will Erfolg um jeden Preis. Sein Team gehörte zur Haute-Volée des Radsport mit einem Jahresetat von rund 20 Millionen Euro. Demnächst dürfte es eher noch mehr werden. Die Fusion ließ der in Luxemburg lebende Italiener durch Bruyneel „als weiteren Meilenstein in der Entwicklung dieses jungen aufregenden Projektes“ verkaufen.
Für den fast 40-jährigen Voigt könnte es eng werden, auch wenn er als Superkämpfer wieder eine bemerkenswerte Tour als Schleck-Helfer fuhr. Der Vertrag des Berliners, der sich am Dienstag ausdrücklich nicht äußern wollte, läuft Ende 2011 aus.
„Mir fällt schwer, bei dieser Fusion zu applaudieren. Die Gefahr ist groß, dass viele auf der Straße stehen“, meinte HTC-Teamchef Rolf Aldag, dessen Team gerade „abgewickelt“ wurde. Nach Auskunft des Ex-Profis haben mit einer Ausnahme alle Fahrer und die meisten Angestellten 2012 neue Arbeitgeber. Seine eigene Zukunft ist noch nicht entschieden.