„Le tour“ Düsseldorf: Martin happy - Finanzielles Risiko

Düsseldorf (dpa) - Fans und Profis freuen sich fast wie bei einer Bescherung, der Stadtkämmerer von Düsseldorf ist womöglich etwas nervös: Die Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens erhielt am Dienstag den Zuschlag der Organisatoren aus Paris für den Start der Tour de France 2017.

Foto: dpa

Die 104. Auflage des Spektakels verspricht sportlichen Hochgenuss und drei Tage prickelnde Tour-Atmosphäre am Rhein, birgt aber wohl auch ein finanzielles Risiko. 30 Jahre nach West-Berlin findet zum vierten Mal ein Grand Départ in Deutschland statt.

Nachdem der Düsseldorfer Stadtrat am 6. November - mit Stimmen aus dem rechten Lager - die offizielle Bewerbung für das Radsport-Großereignis bestätigt hatte, sprach Bürgermeister Thomas Geisel von „über sechs Millionen Kosten“ für die Stadt. Dabei wird es kaum bleiben.

Der dreifache Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin, der bei der vergangenen Tour zum ersten Mal in seiner Karriere das Gelbe Trikot trug, wertete den Zuschlag als „Sechser im Lotto“, wohl wegen des zu erwartenden Zeitfahrens zum Auftakt, wie er im ARD-Hörfunk sagte. Topsprinter André Greipel, in diesem Jahr vierfacher Etappensieger, hofft „noch dabei zu sein“ und wertet die Vergabe „besonders für den Nachwuchs als tolle Sache“.

Manager Jörg Werner, der auch die Topfahrer John Degenkolb und Marcel Kittel betreut, war in seiner Begeisterung etwas zurückhaltender. „Gestern hatten wir die Absage der Bayern-Rundfahrt zu verkraften, heute kommt diese schöne Nachricht. Es ist eine Berg- und Talfahrt. Es ist nicht alles rosarot“, sagte der Thüringer der Deutschen Presse-Agentur.

Zuletzt waren Köln (1965), Frankfurt/Main (1980) und zwei Jahre vor der Wende West-Berlin (1987) Startorte für das wichtigste Radrennen der Welt. Zum vorerst letzten Mal schaute die Frankreich-Rundfahrt 2005 in den Etappenorten Karlsruhe und Pforzheim vorbei.

Im darauffolgenden Jahr war der einzige deutsche Toursieger Jan Ullrich zum Start in Straßburg als mutmaßlicher Doper enttarnt worden - damit war das Thema Profiradsport in der Beliebtheits-Skala hierzulande dramatisch abgestürzt. In den Folgejahren wurde der Radsport vornehmlich als Problem-Branche wahrgenommen und hatte speziell in Deutschland wegen der ständigen Doping-Affären einen schweren Stand.

In den Folgejahren wurde der Radsport vornehmlich als Problem-Branche wahrgenommen und hatte speziell in Deutschland wegen der ständigen Doping-Affären einen schweren Stand. Tour-Chef Christian Prudhomme verglich das Auf und Ab der Radsportbegeisterung in Deutschland mit einer „verrückten Liebe“, die durch Ullrichs Fall schwer enttäuscht wurde. Jetzt habe eine neue Ära begonnen.

Nicht zuletzt das öffentliche und wohl auch glaubhafte Einstehen der deutschen Topprofis Martin, Kittel, Degenkolb und Greipel für einen sauberen Sport sorgten für ein vorsichtiges Umdenken.

Inzwischen herrscht wieder größere Akzeptanz, aber das Sterben der Rennen in Deutschland - zuletzt blieb die Bayern-Rundfahrt wegen finanzieller Schwierigkeiten auf der Strecke - geht weiter. Die ARD wagte in diesem Jahr nach langjähriger Abstinenz, wieder live aus Frankreich zu berichten - mit ausbaufähiger Resonanz.

Aber jetzt setzt Düsseldorf ein Zeichen. Der tourbegeisterte Bürgermeister Geisel (SPD) war im Juli aktiv geworden, als er sich mit Tour-Chef Christian Prudhomme getroffen und sein Interesse mitgeteilt hatte.

Die Rheinterrassen sollen zum Tour-Auftakt 2017 - womöglich ein längeres Zeitfahren - die Kulisse bilden. Am Tag darauf startet der zweite Tour-Abschnitt, der möglicherweise in einer anderen deutschen Stadt endet. Erste Details sollen auf Pressekonferenzen am 14. Januar 2016 in Paris und Düsseldorf mitgeteilt werden.

Der Ertrag für Düsseldorf durch den Imagegewinn und die erwarteten Fan-Massen ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Die war beispielsweise London, bereits 2005 Ausrichter eines umjubelten Tourstarts vor einem Millionenpublikum, zu riskant. Zum Grand Départ in diesem Jahr hatten über zwei Millionen Menschen Utrecht in einen Ausnahmezustand versetzt.

Auf solche Begeisterung hofft jetzt auch die Landeshauptstadt, die 2006 den Start der inzwischen längst beerdigten Deutschland-Tour ausrichtete. Mit Blick auf die Finanzierung zeigte sich Geisel jedenfalls zuversichtlich. In den Vereinbarungen zwischen Düsseldorf und dem Tour-Veranstalter ASO seien „Regelungen vereinbart, die attraktive Sponsoringpakete für die örtliche Wirtschaft ermöglichen“.

Die Tour 2016 startet am 1. Juli am Mont-Saint-Michel in der Normandie. Düsseldorf war für 2017 der einzige ernsthafte deutsche Kandidat, vorher hatten sich auch die Mit-Interessenten Münster und das Saarland zurückgezogen.