Martin frustriert: „Zweiter ist der erste Verlierer“
Richmond (dpa) - Tony Martin war sichtlich bedient. Nicht einmal die großen Sympathiebekundungen der amerikanischen Radsport-Fans konnte die Stimmung beim dreimaligen Zeitfahr-Weltmeister sonderlich aufbessern.
„Wir sind nicht hierhergekommen, um aufs Podium zu fahren, sondern um Gold zu holen. Der Spruch 'Der Zweite ist der erste Verlierer' trifft auf jeden Fall zu“, haderte Martin, nachdem er zum Auftakt der Straßenrad-WM in Richmond mit seinem Etixx-Quick-Step-Rennstall um elf Sekunden am Sieg im Mannschaftszeitfahren hinter dem BMC-Team vorbeigefahren war.
Mit zweiten Plätzen kann sich Martin schon lange nicht mehr anfreunden. Erst recht nicht am Mittwoch, wenn er mit einem Jahr Verspätung den WM-Rekordsieg im Einzelzeitfahren nachholen will. Mit dem vierten Titel könnte der 30-Jährige zum Schweizer Fabian Cancellara aufschließen. „Das Ergebnis am Sonntag war aber nicht gut für die Moral“, räumte Martin ein, der sich selbst in einer optimalen Form sieht: „Ich fühle mich gut und habe meine Führungsarbeit gemacht.“
Schon im vergangenen Jahr in Ponferrada war das Teamzeitfahren ein schlechtes Omen. Nach Platz drei mit der Mannschaft verpasste Martin auch im WM-Einzelzeitfahren den Sieg und wurde hinter Olympiasieger Bradley Wiggins Zweiter. „Es zählt nur der WM-Titel“, wiederholte der diesjährige Träger des Gelben Trikots bei Tour de France sein klares Ziel und suchte vergeblich nach Erklärungen für das verpasste Gold: „Wir sind seit drei Wochen zusammen und haben viel investiert. Wir müssen analysieren, wo die Schwachpunkte sind.“
Vielleicht lag es aber auch an der herausragenden Leistung des BMC-Teams. Insbesondere der Australier Rohan Dennis, der Martin schon beim Tour-Zeitfahren besiegt hatte, und der von einem doppelten Beinbruch genesene Amerikaner Taylor Phinney führten die US-Mannschaft zum Sieg. Beide könnten auch am Mittwoch als Spielverderber fungieren. Für Martin spricht dagegen, dass die Distanz dann über 53 und nicht nur über 38,8 Kilometer geht.
Den erhofften Rückenwind gab es dagegen für das neue Aushängeschild im deutschen Frauen-Radsport. Lisa Brennauer empfand den Erfolg mit ihrem Team Velocio-SRAM als „sehr motivierend“ für Dienstag. Dann will die Allgäuerin ihren überraschenden Coup aus dem Vorjahr wiederholen. „Als Weltmeisterin muss es der Anspruch sein, den Titel zu verteidigen.“
Uneingeschränkte Freude wollten bei Brennauer sowie den weiteren deutschen Teamkolleginnen Trixi Worrack und Mieke Kröger aber nicht aufkommen. Die Zukunft der Mannschaft ist weiter fraglich. „Momentan sieht es so aus, dass es nächstes Jahr nicht weitergeht“, sagte Brennauer. Bei ihrer eigenen Klasse muss sie sich aber kaum Sorgen um ihre weitere Radsport-Zukunft machen.