Martins unglaubliches Pech: Platten, Unfall, Abschied?
Besancon (dpa) - Tony Martin schüttelte nur noch ungläubig den Kopf. Knapp fünf Kilometer hatte er im ersten schweren Zeitfahren absolviert, als ihn ein dumpfer Knall aus allen Tour-Träumen riss.
Der Hinterreifen des Weltmeisters war auf einer Abfahrt hinaus aus dem Dörfchen Champagne-sur-Loue regelrecht explodiert. Frustriert warf der 27-Jährige seine Zeitfahr-Maschine auf die Straße. Etliche Sekunden vergingen, ehe er mit einem Ersatzrad weiterfahren konnte. „Schon wieder so ein Pech“, klagte Martin im Ziel - das war nicht sein erster bitterer Reifenschaden bei der 99. Tour de France.
Schon im Prolog hatte ein Platten Martins Chancen auf den Sieg und das Gelbe Trikot zunichtegemacht. Auf der 9. Etappe am Montag kam es dann knüppeldick: Nun Platz zwölf mit 2:16 Minuten Rückstand auf Sieger Bradley Wiggins. Nicht nur der gebürtige Cottbuser war bedient. Teamchef Brian Holm, der seinem Schützling im Begleitwagen folgte und die enttäuschenden Momente auf dem 41,5 Kilometer langen Kurs von Arc-en-Senans nach Besancon hautnah miterlebte, meinte nur: „Und schon wieder...!“
Angesichts seiner unglaublichen Pechsträhne - am zweiten Tour-Tag hatte sich Martin das Kahnbein gebrochen - konnte der Omega-Fahrer fast noch froh sein, den technischen Defekt glimpflich überstanden zu haben. „Ich war auf einer Geraden, als es passierte. Dann bin ich geschlingert, aber zum Glück nicht gestürzt“, erzählte er.
Vor einem Unfall hatte die Entourage des gebürtigen Cottbusers beim Kampf gegen die Uhr am meisten Angst. Eine weitere Verletzung an der linken Hand, die erstmals nicht von einer Schiene geschützt war, hätte wohl nicht nur das Tour-, sondern auch das Olympia-Aus bedeutet. „Diese Angst habe ich einfach ausgeblendet“, sagte Martin.
„Es war ein wahnsinniger Kampf nach dem Defekt. Ich war davor so konzentriert, kam dann aber massiv aus dem Rhythmus“, berichtete Martin. Dabei hatte ihn schon seine Verletzung gehandicapt: Auf den steilsten Passagen des anspruchsvollen Kurses mit vielen engen Kurven konnte er kaum aus dem Sattel gehen, heftig am Lenker ziehen war weitgehend unmöglich. Im Vorjahr hatte Martin das Einzelzeitfahren der Tour in Grenoble noch klar gewonnen.
Die diesjährige Frankreich-Rundfahrt, die für Martin schon mit einer Enttäuschung begonnen hatte, wird nun wohl ähnlich enden. Am Dienstag steht der erste Ruhetag an, diesen will er noch mit dem Team verbringen und dann entscheiden, ob er vorzeitig abreist. Für Martin zählt nur noch das olympische Zeitfahren in London am 1. August, bei seiner bisherigen Pannen-Tour will er nichts riskieren. „Olympia könnte ein Problem werden, wenn ich weiterfahre“, erklärte er. Und Probleme hatte Martin in diesem Sommer schon genug.