Wiggins deklassiert Konkurrenz - Martin wieder im Pech

Besancon (dpa) - Gegen die geballte Sky-Power von Bradley Wiggins hätte Tony Martin an diesem Nachmittag auch ohne Pannenpech nichts ausrichten können. Der britische Dominator degradierte beim ersten schweren Einzelzeitfahren der Tour de France die gesamte Konkurrenz.

Den verletzten deutschen Weltmeister erwischte es als Zwölften besonders schlimm. Schon im ersten Abschnitt des 41,5 Kilometer langen Teilstücks nach Besancon musste Martins nach einem Platten sein Rad wechseln und war damit chancenlos. Stunden später zeigte der Träger des Gelben Trikots, Wiggins, eine Ausnahmeleistung und verwies seinen wieder starken Teamkollegen Christopher Froome sowie Olympia- und Prologsieger Fabian Cancellara auf die Plätze.

„Das war brillant“, meinte ein sichtlich zufriedener Wiggins in fließendem Französisch. „Auf diesem schwierigen Kurs kam mir meine zehnjährige Erfahrung auf der Bahn entgegen. Ich fand sofort die richtige Position auf dem Rad“, erklärte der dreifache Bahn-Olympiasieger. Seinem ärgsten Rivalen Cadel Evans verpasste er einen gewaltigen Dämpfer: Der australische Tour-Sieger von 2011 kassierte einen Rückstand von 1:43 Minuten und liegt in der Gesamtwertung nun fast zwei Minuten hinter Wiggins. Sogar Cancellara verlor am Montag nicht weniger als 57 Sekunden auf den Sieger.

„Jetzt konzentriere ich mich weiter auf das Match gegen Evans und Nibali. London ist erst nach der Tour ein Thema für mich“, sagte Wiggins, der seinen ersten Tour-Etappensieg überhaupt gefeiert hatte. Diese Premiere ging fast unter. „Bei mir dreht sich alles nur um die Gesamtwertung“, meinte der baumlange und spindeldürre Wiggins mit den markanten Koteletten fast schon entschuldigend. „Der Sieg im Einzelzeitfahren ist für mich aber ein Bonus.“

Die überragende Vorstellung der Mannschaft Sky krönte Froome. „Wir hätte nicht mehr erwarten können“, jubelte der Edelhelfer. „Das war ein Superrennen für unser Team und zeigt, wie stark wir sind.“ Shootingstar Froome hatte erst am Samstag die schwere erste Bergetappe in den Vogesen vor Evans und Wiggins gewonnen.

Für Tony Martin war an einen Tagessieg dagegen nicht zu denken. Zwar kam er mit seiner gebrochenen linken Hand heil über den anspruchsvollen Parcours, nach der Reifenpanne ging es aber nur noch um Schadensbegrenzung. Vor der Tour und seinen Rückschlägen galt er noch als Favorit für das Zeitfahren - in Besancon war er mit 2:16 Minuten Rückstand noch nicht einmal der beste Deutsche. Der zuletzt schwächelnde Andreas Klöden wurde mit 2:09 Minuten Rückstand Zehnter.

Wahrscheinlich wird Martin an diesem Dienstag die Heimreise antreten, um sich speziell auf das Olympia-Zeitfahren in London - unter den besonderen Gegebenheiten seines gebrochenen Kahnbeins - vorzubereiten. „Es wäre besser, er macht Schluss“, riet ihm Teamarzt Helge Riepenhof vor dem ersten Ruhetag bei dieser Tour am Dienstag.

Für Martin war das Rennen vor vorneherein eine Gratwanderung. Zum einen wollte er natürlich seinen Vorjahressieg im Kampf gegen die Uhr wiederholen, zum anderen durfte er mit seiner Verletzung im Hinblick auf Olympia kein zu hohes Risiko eingehen. Vor allem bei den steilen Passagen und den gefährlichen Abfahrten der Strecke nach Besancon machte sich sein schmerzendes Handicap bemerkbar.

Das technische Malheur mit der Reifenpanne nach knapp fünf Kilometern gab Martin den Rest. „Es war ein wahnsinniger Kampf danach. Ich war davor so konzentriert, kam dann aber massiv aus dem Rhythmus“, sagte Martin, der erstmals nach seinem Sturz vor neun Tagen ohne eine stützende Schiene um das Handgelenk auskam.