Nach positiver Probe: Paolini beteuert Unschuld
Mur-de-Bretagne (dpa) - Erst Astana, nun Katusha: Die osteuropäischen Skandalteams machen ihrem schlechten Ruf bei der Tour de France wieder alle Ehre. Sportliche Gründe hatte es jedenfalls es nicht, dass zahlreiche Kamerateams das Katusha-Teamhotel „Le Villeneuve“ in Saint-Grégoire belagerten.
Erhellende Antworten bekamen sie nicht, weder vom Teamchef Wjatscheslaw Jekimow noch vom italienischen Radprofi Luca Paolini, der positiv auf Kokain getestet wurde und damit für den ersten auffälligen Befund seit 2012 bei der Frankreich-Rundfahrt sorgte.
Paolini meldete sich in der Nacht via Twitter zu Wort und ließ die üblichen Unschuldsbeteuerungen verlauten. „Ich bin fassungslos. Ich habe nicht Kokain genommen“, schrieb der 38-Jährige, dessen Karriere ohnehin in den letzten Zügen ist. Er werde mit dem Weltverband UCI eng zusammenarbeiten und alles dafür tun, um den Fall aufzuklären.
Paolini war am Morgen vor der vierten Etappe nach Cambrai positiv auf Kokain getestet worden. Dem 38-Jährigen, der von seinem Team suspendiert und aus dem Rennen genommen wurde, droht im schlimmsten Fall eine mehrjährige Sperre. Der Kokain-Gebrauch ist laut Reglement nur im Wettkampf strafbar. Die Substanz kann in der Regel vier bis zehn Tage im Körper nachgewiesen werden. „Ich glaube und habe immer an die Kontrollen geglaubt, die unseren Sport glaubwürdiger machen“, ergänzte Paolini.
Sein Team will sich weitere Schritte vorbehalten, und sorgt sich - zumindest offiziell - um den Ruf. „Das schädigt unserem Image“, sagte Jekimow, einst wichtiger Helfer von Lance Armstrong, dem wegen Dopings lebenslang gesperrten Ex-US-Radprofi, und ergänzte: „Wir brauchen aber erst Fakten. Ich hoffe auf Antworten durch die B-Probe. Wir verfolgen eine strikte Anti-Doping-Politik.“
Trotz dieser „strikten Anti-Doping-Politik“ war es in der Vergangenheit immer wieder zu positiven Fällen bei Katusha gekommen. Der Österreicher Christian Pfannberger und Antonio Colom aus Spanien flogen 2009 ebenso wie der Russe Denis Galimsjanow drei Jahre später mit dem Blutdopingmittel EPO auf. Dazu wurde Alexander Kolobnew bei der Tour 2011 positiv auf ein Diuretikum getestet. Die UCI hatte dem Team deswegen für 2013 die Lizenz verweigert, Katusha erstritt sich das Startrecht aber über den Internationalen Sportgerichtshof CAS.
Vieles ähnelt zu den Vorfällen im Astana-Team, auch hier muss die UCI bislang trotz der fünf Dopingfälle im Jahr 2014 machtlos zusehen. Vor dem Tourstart war es zum nächsten Eklat gekommen, als bei Astana-Fahrer Lars Boom ein zu niedriger Kortisol-Wert gemessen wurde. Zwar nicht nach UCI-Recht, aber gemäß den Regeln der Bewegung für einen sauberen Radsport (MPCC), der Astana angehörte, hätte Boom nicht starten dürfen. Teamchef Alexander Winokurow hatte dies aber nicht interessiert.
Bei Paolini ist die Faktenlage härter. Der Italiener wird es schwer haben, dies als Vergehen außerhalb des Wettkampfes zu erklären. Denn dann hätte die Substanz bei den obligatorischen Kontrollen „in hoher Konzentration“ da sein müssen, wie Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel mutmaßt. „Das hätte man nicht übersehen können. Und es muss noch Plasma da sein.“ Interessant sei es nur, wie es sich bei einer Kokain-Einnahme zwischen den Tests am Donnerstag vor dem Tour-Start und dem Beginn des Rennens zwei Tage später verhalte.
Bei der Tour ist es der erste Doping-Eklat seit 2012, als der Luxemburger Fränk Schleck positiv auf das Verschleierungsmittel Xipamid getestet worden war. Der frühere Tour-Dritte war für zwölf Monate gesperrt worden.
Im Gesamtklassement belegte der Teamkollege des spanischen Etappensiegers Joaquim Rodriguez und des norwegischen Sprinters Alexander Kristoff nur den 168. Platz. Der 38-jährige Paolini hatte in dieser Saison den belgischen Frühjahrs-Klassiker Gent-Wevelgem gewonnen. Sollte er gesperrt werden, droht ihm das Ende der Karriere.