Saison bei RadioShack von Führungszoff geprägt
Brescia (dpa) - So turbulent wie am zweiten Ruhetag hatte sich das Team RadioShack in zwei Wochen Giro d'Italia noch nicht präsentiert. Zunächst musste Kapitän Frank Schleck nach seiner Rennaufgabe zum Flughafen kutschiert werden, später machte Manager Johan Bruyneel den vorzeitigen Abflug.
Im Gegensatz zum Fahrer schmerzte dem Meistermacher von Lance Armstrong nicht die Schulter. Allerdings saß der Ärger über die jüngsten Vorkommnisse auch bei Bruyneel tief, als er im Teamhotel Della Torre vor den Toren Brescias auf Nachfrage jegliche Auskunft über die Causa Schleck verweigerte.
„Es steht alles in der Pressemitteilung“, knurrte Bruyneel, als er von der Nachrichtenagentur dpa auf das Ausscheiden von Schleck und die Auswirkungen auf die Tour-de-France-Vorbereitung angesprochen wurde.
Johan Bruyneel ist stinksauer, hatte er doch noch vor dem Start der zweitwichtigsten Rundfahrt des Jahres in Italien versichert: „Frank Schleck ist hier, um gute Resultate beim Giro d'Italia zu erzielen. Er ist eingeschränkt durch seine Schulterverletzung. Aber er wird bis Mailand fahren. Schmerzen gehören zum Geschäft.“ Nun trat Schleck dennoch vorzeitig die Heimreise an. Wie es mit dem Luxemburger in dieser Saison weitergeht, scheint offener denn je.
„Wir müssen sein Programm überarbeiten“, teilte Bruyneel auf der Teamhomepage mit. „Positiv ist, dass er hoffentlich in einer guten Verfassung aus dem Giro kommt, die er nutzen kann, um seine Form für seine nächsten Ziele, die Luxemburg-Rundfahrt und die Tour de Suisse, aufzubauen.“ Pikant: Bruyneel erwähnte nicht die Tour de France.
„Die ist noch weit weg“, hatte der auf die Tour angesprochene Manager dem Luxemburger „Tageblatt“ am Montag gesagt. Zugleich übte er heftige Kritik am Kader. „Derzeit ist keiner im Team auf der Höhe dessen, was wir erwartet hatten. Lediglich Fabian Cancellara war es, ehe er stürzte. Alle anderen haben nichts umgerissen. Derzeit ist kein einziger Fahrer für die Tour de France gesetzt.“ Zu Schlecks Giro-Aus fand Bruyneel ebenfalls mehr als deutliche Worte: „Er hat sich aufgegeben und das Team im Stich gelassen.“
Divergenzen über die Wettkampfplanung zwischen Bruyneel und den Schleck-Brüdern hatten schon die ganze bisherige Saison überschattet. Die Luxemburger Profis wollten sich erklärtermaßen gemeinsam auf die Tour vorbereiten. Bruyneel hatte schon früher einen Giro-Start von Frank Schleck bevorzugt. Der kam dann überraschend - und gegen den Willen des Athleten - nach dem verletzungsbedingten Ausscheiden von RadioShack-Teamkollege Jakob Fuglsang zustande.
„Solch eine kurzfristige Programmänderung ist nicht einfach. Aber sie ist möglich. Und das Team brauchte nach der bislang nicht sehr erfolgreichen Saison auch unbedingt gute Resultate“, erklärte der sportliche Leiter von RadioShack und Schleck-Vertraute Kim Anderson. In der Giro-Gesamtwertung liegt Jan Bakelandts als bester Fahrer der Equipe weit abgeschlagen hinter den Spitzenrängen.
Die Italien-Rundfahrt spielt neben dem immer deutlicheren Zwist innerhalb des Teams aber ohnehin nur noch eine Nebenrolle. Vertraute halten die Egos der Führungskräfte - Bruyneel auf der einen Seite, die Schlecks auf der anderen - nicht für kompatibel. An Differenzen über den Führungsstil war schon die Zusammenarbeit der Schlecks mit dem Dänen Bjarne Riis beim Team Saxo Bank gescheitert.
Für die Tour de France scheint ein Nervenkrieg im Hause RadioShack programmiert. Bruyneel aber weiß, wie solche Situationen in Erfolge umzuwandeln sind. 2009 fuhren die zerstrittenen Astana-Stars Alberto Contador und Armstrong unter seiner Ägide auf die Tour-Plätze eins und drei. Die Konkurrenz kann sich noch nicht ins Fäustchen lachen.