Straßen-WM: Nibali gegen den Rest der Welt
Florenz (dpa) - Die Organisatoren rechnen mit 1,5 Millionen Zuschauern. Florenz wird zum WM-Finale am Sonntag beim Straßenrennen aus allen Nähten platzen. Noch dazu, weil ein Heimsieg auf der Tagesordnung stehen soll.
Auf dem härtesten und längsten WM-Parcours der vergangenen Jahre machen sich die Italiener Vincenzo Nibali, der die Tour de France ausließ, den Giro gewann und Platz zwei bei der Vuelta belegte, sowie Filippo Pozzato berechtigte Hoffnungen.
Aber die Liste ihrer aussichtsreichen Herausforderer ist lang. Der Zeitfahr-Dritte Fabian Cancellara spekuliert ebenso auf den ganz großen Coup wie die Spanier mit Alejandro Valverde, Titelverteidiger Philippe Gilbert (Belgien), Peter Sagan (Slowakei) oder die britischen Toursieger Bradley Wiggins und Christopher Froome. In diese Phalanx gehört kein deutscher Profi.
„Top Fünf - das wäre wohl zu hoch gegriffen“, meinte ganz bescheiden John Degenkolb, der WM-Vierte von 2012, der sich in den Dienst der nominellen Kapitäne im deutschen Team, Dominik Nerz und Fabian Wegmann stellen will. Dem Gewinner der Hamburg Cyclassics käme die Jokerrolle zu, wenn es im Finale zu einem Sprint aus einer kleineren Gruppe kommen sollte, und Degenkolb dabei wäre.
Die nur sechsköpfige Equipe des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) wäre mit einem Top-Ten-Platz vermutlich gut bedient. Der Allgäuer Nerz fuhr zwar eine starke Vuelta (14.), dürfte sich aber an den Topstars der Branche auf dem hammerharten Kurs von Lucca nach Florenz über 272,3 Kilometer mit zwei happigen Steigungen pro Runde kaum messen lassen. Der 24 Jahre alte BMC-Profi steht vor seiner ersten Straßen-WM als Elitefahrer.
Dem dreimaligen deutschen Meister Fabian Wegmann könnte es vorbehalten bleiben, wie so oft bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen für das beste BDR-Resultat zu sorgen. „Rundkurse liegen mir irgendwie“, sagte der Freiburger, so etwas wie ein Überbleibsel aus vergangenen Gerolsteiner- und Milram-Zeiten. Wegmann, im US-Team Garmin unter Vertrag, steht vor seiner zehnten WM. Zuletzt holte André Greipel für den BDR 2011 mit Bronze in Kopenhagen einen Podestplatz auf der Straße.
Die 16,5 Kilometer lange Schlussrunde, die die Elitefahrer am Sonntag zehnmal zu bewältigen haben, ähnelt ein bisschen dem Finale des Frühjahrsklassikers Mailand-San Remo. Cancellara, der so gerne endlich einmal den Titel auf der Straße holen will, könnte dieselbe Taktik wie bei seinem Sieg in San Remo 2008 verfolgen. Von der letzten Steigung in der Via Salviati (maximal 18 Prozent) sind es noch fünf Kilometer bis ins Ziel. Insgesamt sind 3000 Höhenmeter zu bewältigen.
Die Protagonisten vom Kaliber Nibali werden versuchen, die Sprinter und Klassikerspezialisten abzuschütteln. Sie müssen am besten alleine auf die Zielgerade kommen. Aber vielleicht sind die Steigungen von Sagan, Gilbert und vielleicht sogar Degenkolb auch zu meistern, so dass sie am Schluss eine Siegchance hätten.
„Wir werden so fahren, dass wir niemandem hinterherjagen. Die Konkurrenz soll uns jagen. Nibali ist nicht nur ein Etappenfahrer wie Contador, er hat auch das Zeug, Eintagesrennen zu gewinnen. Er ist unser Mann - er ist stark“, kündigte der zweimalige Weltmeister Paolo Bettini, inzwischen Auswahltrainer der WM-Gastgeber, vollmundig an.
Am Sonntag soll es regnen - ein Vorteil für den wetterfesten Sizilianer. „Ich will keinen Regentanz aufführen, aber bei diesen Bedingungen bin ich noch ein bisschen besser“, versprach Nibali.