Tygart-Drohung und WADA-Possenspiel: UCI im Chaos
Aigle (dpa) - Die Chaos-Wochen im Weltradsport halten an, die Tage von Pat McQuaid als UCI-Präsident scheinen gezählt.
Das Doping-Urteil gegen Fränk Schleck, die Beichte von Michael Rasmussen und indirekte Warnungen des Armstrong-Jägers Travis Tygart an den Weltverband UCI sind das Spiegelbild der Branche. Dabei wird immer klarer, dass die UCI längst nicht mehr als ernstzunehmende Dachorganisation - jedenfalls in der aktuellen Zusammensetzung an der Spitze - taugt. Weiteres Ungemach droht dem mit Korruptionsvorwürfen konfrontierten UCI-Präsidenten Pat McQuaid. Der Ire ähnelt in seiner Verteidigungsstrategie immer mehr einem Possenspieler.
„Es gibt noch Erkenntnisse, die wir in der Klage gegen Armstrong nicht direkt verwendet haben. Wir werden da weiter tätig sein“, sagte Tygart am Mittwoch zum Abschluss seines Berlin-Besuches. Der Chef der US-Anti-Doping-Agentur dürfte damit auf die UCI abzielen. Diese war in der 1000-seitigen USADA-Klageschrift verdächtigt worden, Armstrong bei der Installation seines Dopings-Systems unterstützt und positive Doping-Analysen des einstigen Megastars vertuscht zu haben.
Auf die heftigen Vorwürfe hatte die UCI, dessen Spitze sich im September in Florenz zur Neuwahl stellen will, mit der Bildung einer internen Untersuchungskommission reagiert. Als diese sich aber über mangelnde Kooperation vonseiten der UCI beschwerte, wurde sie flugs abberufen, bevor sie richtig zu arbeiten begann.
Der Verband zauberte im Handumdrehen - und nach einer beachtlichen 180-Grad-Drehung - die Idee der Bildung einer „Wahrheits- und Versöhnungs-Kommission“ hervor. Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA sollte als Aushängeschild für das neue Aufklärungs-Gremium dienen. Die Agentur lehnte die angetragene Zusammenarbeit aber mit bösen Worten in Richtung UCI („hinterlistig“, „einseitig“, „arrogant“) ab.
Die Verbands-Posse ist perfekt - nach dem monatelangen peinlichen Disput mit WADA und USADA via Pressemitteilungen steht die UCI jetzt endgültig ganz allein da. Vielleicht weil längst klar ist, wie tief sie verstrickt ist, obwohl Armstrong in seinem TV-Geständnis ausdrücklich Schuldzuweisungen in Richtung UCI unterlassen hatte. Im Interview bei cyclingnews.com nannte er McQuaid nun „armselig“ und unkte: „Pat ist im ständigen Ich-rette-meinen-Arsch-Modus. Zudem kündigte er Aussagewilligkeit bei der WADA an. Weder UCI noch USADA seien für Armstrong die passenden Gesprächspartner.
Dass Doping der Stars keine exklusive Geschichte aus Zeiten der Armstrong-Ära ist, beweist der Fall des für ein Jahr gesperrten Fränk Schleck. Nach dessen positivem Dopingbefund bei der Tour 2012 sprach ihn die luxemburgische Anti-Doping-Agentur ALAD schuldig. Den Saisonhöhepunkt wird der 32 Jahre alte Tour-Dritte von 2011, der Doping bestreitet und auch von einer Verschwörung gesprochen hatte, verpassen. Ihm war die Einnahme des Diuretikums Xipamid nachgewiesen worden, das Dopingmitteln verschleiern kann.
Schleck - der nach Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“ 2008 auch mit dem vor Gericht stehenden Arzt Eufemiano Fuentes zusammengearbeitet hatte -, WADA oder UCI können binnen 21 Tagen Berufung beim Internationalen Sportgericht CAS einlegen. „Wir werden die Entscheidung analysieren und weitere Schritte abwägen“, teilte Schleck in einem Statement mit. Das Team RadioShack, für das auch die deutschen Radprofis Jens Voigt und Andreas Klöden fahren, zeigte sich erleichtert über das Ende des Verfahrens. Weitere Schritte würden nun geprüft.