Die neue Star-Reiterin holt EM-Ticket

Aachen (dpa) - Die Tränen liefen Meredith Michaels-Beerbaum vor 46 000 Zuschauern über die Wangen, während ihre Nachfolgerin bereits feierte und ein Sieger-Interview nach dem nächsten gab.

„Das ist absurd“, plauderte Janne-Friederike Meyer fröhlich drauflos: „Ich kann es gar nicht glauben, ich muss diesen Schock erstmal verdauen.“ Der Schock, das war der Sieg beim größten und wichtigsten Reitturnier der Welt.

„Das ist der größte Erfolg meiner Karriere“, sagte die 30-Jährige aus Schenefeld, die im vergangenen Jahr immerhin Weltmeisterin geworden war mit der deutschen Mannschaft. Aber ein Sieg im Großen Preis in Aachen, das ist für Springreiter etwas ganz besonderes, vergleichbar mit dem Wimbledon-Sieg im Tennis.

Auf der Liste mit den großen Siegern in Aachen steht seit 2005 auch der von Meredith Michaels-Beerbaum. Sie ist die erfolgreichste Springreiterin der Welt - und weinte „den ganzen Tag, ich kann gar nicht aufhören“. Sie hatte sich nach einer durchwachten Nacht entschlossen, nicht mit Shutterfly zu starten und ihn stattdessen aus dem Sport zu verabschieden. Der 18 Jahre alte Wallach bleibt demnächst auf der Weide, und Michaels-Beerbaum steht „vor einem Loch in meiner Karriere“.

Innerhalb von nur wenigen Minuten wurde in dem riesigen Reitstadion eine Wachablösung sichtbar. Michaels-Beerbaum war ein Jahrzehnt lang das Gesicht des deutschen Pferdesport. Sie war die erste Frau auf Platz eins der Weltrangliste, sie gewann die Europameisterschaft und dreimal den Weltcup. Und nun ritt ihre legitime Nachfolgerin kurz vor dem tränenreichen Shutterfly-Abschied mit Lambrasco zum Sieg.

Meyer hat das Zeug zum neuen Star. Sie reitet mit Lambrasco ein Weltklasse-Pferd und hat dazu mit Holiday einen weiteren „Kracher“, mit dem sie am Vorabend die Prüfung „Best of champions“ gewonnen hatte.

Im vergangenen Jahr war die flotte Blondine noch eine Überraschung, rückte als Ersatzreiterin ins WM-Team und feierte zusammen mit Michaels-Beerbaum in Kentucky Gold. Jetzt hat die 30-Jährige ihren Platz im Quartett für die Europameisterschaft in Madrid sicher. Auch wenn Bundestrainer Otto Becker sich „noch nicht festlegen will“. Meyer selber sagte vergnügt: „Ich habe noch mal ein paar Pluspunkte gesammelt.“

Auch der Bundestrainer, der 2000 selber in Aachen gewann, hatte nicht auf Meyer als Siegerin getippt. „Dass sie weit vorne liegt, dass habe ich ihr schon zugetraut“, gab Becker zu, aber: „Dass sie gewinnt, hatte ich auch nicht erwartet.“

Meyer und ihr ehemaliger Trainer Carsten-Otto Nagel (Norderstedt) dürfen bereits für die EM planen. Für die zwei weiteren Plätze im Team hat Becker fünf weitere Kandidaten, von den Ludger Beerbaum (Riesenbeck) mit Gotha die besten Karten haben dürfte. Erst in knapp vier Wochen will er sich entscheiden.