Dressur: Mit dem Wunderpferd auf Goldkurs
Der zehn Millionen Euro teure Totilas soll Olympia erobern.
Mühlen. „Sehr gut Matthias, sehr gut. Wunderbar. Mach weiter so.“ Klaus-Martin Rath steht auf dem Springplatz mit seinen bunten Hindernissen und gibt seinem Sohn über Funk Anweisungen. Matthias übt mit Totilas. In der Morgensonne glänzt das Fell des schwarzen Wunderpferdes noch intensiver, noch beeindruckender, als man es von Fotos her kennt. Arbeitsalltag auf der Anlage von Paul Schockemöhle in Mühlen.
Nicht herausgeputzt, nicht gestriegelt, ein ganz normales Pferd zwischen anderen Tieren. Nicht selbstgefällig der Reiter, der den angeblich über zehn Millionen Euro teuren Hengst führt. „Bei uns wird der Star immer das Pferd bleiben“, sagt Matthias Alexander Rath. Er darf das Jahrhundertpferd reiten, über das die ganze Welt spricht.
Das Training findet morgens um acht Uhr statt. „Später kommen viele Leute, die Totilas sehen wollen. Der Hype ist gewaltig.“ Pferd und Reiter machen einen entspannten Eindruck. Dass sie zueinanderfinden würden, war nicht von vornherein klar. „Es ist die Kunst, herauszubekommen, ob die Charaktere zusammenpassen. Es geht um Verständigung. Die von Mensch und Tier. Das ist die Basis“, erklärt Klaus Rath. „Als Matthias dann sagte, Papa, ich schaff das, waren wir sehr stolz.“ Matthias ist die Faszination ins Gesicht geschrieben. Das Wunderpferd hat es allen angetan. Keine Gefühlsduselei. Echte Anhänglichkeit.
„Er ist sehr unkompliziert, sehr brav. Er hebt sich ab von den anderen Pferden“, strahlt Christin Geske. Definitiv sei sie nervös gewesen, als sie erfuhr, dass sie sich um Totilas kümmern soll. Die Pferdepflegerin hat schnell einen guten Draht zu dem Rapphengst gefunden. „Das ist nicht bei jedem Pferd der Fall.“ Aber Totilas sei total cool. „Er weiß schon, dass er der Star ist.“
Es war kurz nach 19 Uhr am 30. November 2010, als Matthias Rath sich zum ersten Mal auf Totilas setzen durfte. Die Majestät auf vier Beinen ließ es freimütig zu. „Ich habe keine große Party gefeiert oder so. Ich habe mich über das Vertrauen gefreut, dass man mir dieses Ausnahmepferd gibt“, schwärmt Rath, als habe er seine große Liebe gefunden.
Dass die Erwartungshaltung angesichts der enormen Kaufsumme groß ist, bestätigt der Reiter. Aber es stört ihn nicht. „Es gibt keinen Druck, weder von Paul Schockemöhle noch von meinen Eltern.“ Sein Vater, gleichzeitig sein Trainer, unterstreicht dies mit warmen Worten: „Die Liebe zu unserem Sohn hängt nicht davon ab, ob er eine olympische Medaille gewinnt.“ Die Besitzergemeinschaft für Totilas besteht aus dem Mühlener Pferdehändler Schockemöhle und Raths Stiefmutter, Dressur-Olympiasiegerin Ann Kathrin Linsenhoff. Wenn alles nach Plan läuft, kehrt Rath 2012 als Olympiasieger aus London zurück.
Deck- und Gewinngelder sind einkalkuliert. Montags, mittwochs und freitags spendet Totilas seinen wertvollen Samen. Meist nach dem Frühsport. Die Decktaxe beträgt angeblich 5500 Euro. Um 6.30 Uhr wird er gefüttert, ab 8.15 Uhr werden eine Stunde Lektionen geübt. Die Aufmerksamkeit der Dressurwelt gehört einem Tier, das unter Pferden so etwas wie Messi unter den Fußballern ist.