Erneute Niederlage schmerzt mehr als spektakulärer Sturz
Aachen (dpa) - Die deutschen Springreiter warten weiter auf den ersten CHIO-Sieg mit Bundestrainer Otto Becker. Ausgerechnet dessen Vorgänger feierte in Aachen bis in den Morgen hinein.
Den spektakulären Sturz mit einem Flug über den Wassergraben hatte Katrin Eckermann bei ihrem ersten Einsatz im deutschen Aachen-Quartett glimpflich und mit ein paar blauen Flecken überstanden. Die gestürzte Debütantin schlich im matten Flutlicht alleine über den riesigen CHIO-Abreiteplatz, als die belgischen Springreiter mit Champagnergläsern die Terrassen-Bar stürmten. „Wo ist die Party - hier ist die Party“, sangen die Sieger kurz vor Mitternacht auf flämisch - und mittendrin Kurt Gravemeier. Ausgerechnet Gravemeier, der ehemalige Bundestrainer der deutschen Reiter.
Die erneute Niederlage der deutschen Equipe am Donnerstagabend schmerzte auch noch am Morgen danach. Vor allem Otto Becker, seit sechs Jahren der Bundestrainer, der weiter auf den ersten Sieg im Aachener Nationenpreis wartet. Und der ausgerechnet seinem Vorgänger gratulieren musste.
„Das ist großartig, es gibt nichts Schöneres“, schwärmte Gravemeier, der nach dem Olympia-Desaster 2008 und dem Dopingfall Ahlmann seinen Job als Bundestrainer verloren hatte. Und nun als Coach der Belgier bis in den Morgen hinein feiern durfte. „Letztes Jahr fühlte sich das noch komisch an mit der belgischen Fahne“, sagte der fröhliche Gravemeier: „Dieses Jahr macht es mir nichts mehr.“
Als deutscher Coach hatte der 56-Jährige das Gastgeber-Team viermal um CHIO-Sieg geführt. Becker scheiterte hingegen zum sechsten Mal in Folge und musste sich dieses Mal mit Rang vier begnügen. „Kompliment an Kurt“, sagte Becker und bewies auch in der Niederlage Größe bei seiner Kommentierung: „Wir waren einfach nicht gut genug.“
Woran es liegt? „Wenn ich die Frage beantworten könnte“, antwortete der Bundestrainer und zuckte mit den Achseln. Mit seinem Team gewann er bereits Gold bei EM und WM, aber in Aachen scheiterte er regelmäßig. „Man darf sich einfach keine Fehler erlauben“, sagte Becker. Nach vier fehlerfreien Ritten in der ersten Runde stürzte Eckermann, und die anderen drei Reiter kassierten je vier Strafpunkte. „Wir haben es nicht zu Ende gebracht. So müssen wir das schlucken.“
Sauer war auch Ludger Beerbaum. „Das kann nicht wahr sein“, schimpfte der Routinier und forderte: „Wir müssen einfach besser reiten!“ Zuvor hatte er sich noch um die unglückliche Debütantin gekümmert. „Am Ende hast du Glück gehabt“, sagte Beerbaum zu Eckermann und tröstete die 24-Jährige.
„Es tut nichts weh“, versicherte die Reiterin und wirkte dabei wie der Fußball-Nationalspieler Christoph Kramer nach dem WM-Endspiel. „Das Pferd hat auch nichts, das ist die Hauptsache“, erklärte Eckermann, die sich nach dem Sprung über den Wassergraben ebenso überschlagen hatte wie ihr Pferd First of Lorne. War es ein Reitfehler? Der Bundestrainer nahm sie in Schutz: „Ihr ist kein Vorwurf zu machen.“
Richtig erklären konnte die Debütantin die unfreiwillige Flugeinlage nicht. „Er hat beim Sprung die Balance verloren“, sagte Eckermann. Irgendwie passte diese Analyse auch ganz gut zum Auftritt der gesamten Mannschaft.