Keine Stars, keine Fans, kein Geld: Turniere in Not

Hagen (dpa) - Der Bundestrainer muss nicht weit fahren. Rund 55 Minuten benötigt Otto Becker, um zum Beginn der Freiluft-Saison an diesem Wochenende drei seiner Springreiter aus dem A-Kader beim Turnier in Hagen bei Osnabrück eingehend zu beobachten.

Die Alternative liegt rund 7600 Kilometer entfernt. Ludger Beerbaum und Christian Ahlmann reiten in Peking - und zeigten damit die Globalisierung des Pferdesport.

Al Ain in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Thermal und Wellington in den USA, Hongkong und Paris: Die deutschen Topreiter waren in den vergangenen zwei Monaten viel unterwegs. Nur bei den deutschen Turnieren machten sie sich rar. „Früher sind alle Weltklasse-Reiter nach Deutschland gekommen“, erklärt der Bundestrainer. „Jetzt ist es anders, es gibt wesentlich mehr gute Turniere im Ausland. Wenn es da mehr Geld gibt, kann man die Reiter verstehen, wenn sie dahin reisen.“

Die Welt des Pferdesports hat sich seit der Jahrtausendwende drastisch verändert. Welche kuriosen Züge das haben kann, zeigt Christian Ahlmann. Der Weltranglisten-Erste aus Marl pendelt am Wochenende. Nach zwei Tagen in Hagen jettet er für zwei Tage nach Peking, um am Sonntag wieder ins Osnabrücker Land zurückzukehren.

Die Veränderungen lassen sich aber auch mit Zahlen belegen. Nur noch fünf von 55 Turnieren der höchsten Kategorie mit fünf Sternen finden in diesem Jahr in Deutschland statt. Turniervermarkter Michael Mronz hat errechnet: „Vor ungefähr 15 Jahren wurde die Hälfte des Preisgeldes in Deutschland verdient, inzwischen sind die 50 Prozent auf ganz Europa verteilt und nur noch 10 bis 15 Prozent in Deutschland.“ Er weiß, wovon er spricht. Mronz arbeitet für das weltweit größte Turnier in Aachen und auch für die Veranstaltung am Wochenende in Peking.

Traditionsveranstaltungen wie der CHIO in Aachen oder das Hamburger Derby locken weiterhin mit viel Geld die Topstars und damit auch die Fans. „Veranstaltungen der mittleren Kategorie haben es schwer“, sagt Mronz.

Hagen ist da eher eine Ausnahme. Probleme haben aber Turniere wie in Hannover, 1996 noch das Hallenturnier mit dem höchstdotierten Großen Preis der Welt, oder Bremen, wo mehrere Jahre das meiste Preisgeld Europas ausgezahlt wurde.

Andere Veranstaltungen gibt es schon länger nicht mehr, etwa in Berlin. Nach dem Ende des Weltcup-Turniers scheiterte der Neubeginn in den Hangars des Flughafens Tempelhof vor vier Jahren. „Es ist ein Jammer, dass es in der Hauptstadt kein großes Turnier gibt“, meinte Bundestrainer Becker.

„Die Großsponsoren sind rar geworden, die Veranstalter haben es schwer“, sagt Becker. „Einige deutsche Firmen investieren lieber im Ausland.“ Teure Turniere werden zudem von reichen Scheichs in der Wüste organisiert oder wie in Rio de Janeiro von der Milliarden-Erbin Athina Onassis finanziert. In Spanien oder Portugal erhalten einige Veranstalter sogar trotz Euro-Krise staatliche Subventionen.

Für die heimischen Organisatoren entsteht ein Teufelskreis. „Da sehe ich schon eine Gefahr, wenn die Topreiter nicht mehr bei den deutschen Turnieren starten“, sagt ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. Die ohnehin schrumpfende Zahl von TV-Übertragungen wird noch geringer, die Sponsorensuche dadurch noch schwieriger.