Nach Dauerfehde: Beerbaum & Becker wollen Titel

Madrid (dpa) - Kurz bevor Otto Becker als Bundestrainer engagiert wurde, hatte Ludger Beerbaum noch eine kleine Gemeinheit parat. Süffisant merkte der erfolgreichste und einflussreichste Springreiter der vergangenen 20 Jahre an, „dass wir beide nicht für diese Position infrage kommen“.

Diese Spitze aus dem Herbst 2008 charakterisiert ganz wunderbar eine langjährige Fehde. Beide müssen in dieser Woche bei der Europameisterschaft in Madrid in einer interessanten Konstellation zusammenarbeiten: Erstmals reitet Beerbaum unter dem Bundestrainer Becker um Medaillen.

Die Pferdesport-Welt hatte sich lange über die beiden Streithanseln amüsiert. Legendär ist in Reiterkreisen jene Szene aus dem August 2002, als Beerbaum in Donaueschingen dem Teamkameraden im Nationenpreis-Finale auf dem Abreiteplatz anschrie: „Lern du erst mal reiten!“ Und 2005 in Münster lästerte Beerbaum: „Hätte Otto noch eine Zigarre im Mund, würde er mich stark an Rudi Assauer erinnern, der über die Bayern zetert.“

Wer Becker ein bisschen ärgern will, spricht den 52-Jährigen am besten auf den Abreiteplatz von Donaueschingen an. Gleichwohl ist das Verhältnis zu Beerbaum, mit dem er sich „gerieben und gestritten“ hat, wie Becker es selber nennt, inzwischen von hoher Professionalität und gewachsenem Respekt geprägt.

Bei der EM 2009 in Windsor und bei der WM 2010 in Lexington/Kentucky, wo Beckers Beste Gold gewannen, gehörte Beerbaum nicht zum Team. Nicht wegen der früheren Streitigkeiten, sondern weil der 48-Jährige aus Riesenbeck kein ausreichend starkes Pferd hatte. Jetzt gehört der viermalige Olympiasieger mit Gotha zum EM-Quartett mit Janne-Friederike Meyer (Schenefeld) mit Lambrasco, Carsten-Otto Nagel (Norderstedt) mit Corradina und Marco Kutscher (Riesenbeck) mit Cornet Obolensky.

„Aufgrund seiner Erfahrung und Autorität ist er mein erster Ansprechpartner“, erklärte Becker vor dem ersten EM-Ritt am Mittwoch. Der Bundestrainer betonte aber auch: „Privilegien gibt es für keinen.“ Hat Beerbaum dennoch eine Sonderrolle? „So weit würde ich nicht gehen.“

Meinungsstark sind beide noch immer. Beerbaum ist manchmal aufbrausend, Becker eher bedächtig. „Nur in Harmonie ist auch nicht gut“, sagte der Bundestrainer zu ihrer Beziehung: „Wenn es konstruktiv ist, dann ist es gut.“ Und: „Wenn einer eine andere Meinung hat, habe ich damit kein Problem.“ Aber alles, was gemacht werde, „muss gut für die Mannschaft sein“. Schließlich wollen sie zusammen eine Medaille gewinnen, am besten eine goldene.

Der in Sendenhorst bei Münster lebende Becker setzt sein Motto auch im Umgang mit Beerbaum um: „Manchmal muss man Fingerspitzengefühl haben, manchmal muss man Stärke zeigen.“ Durch das WM-Gold des vergangenen Jahres ist der Bundestrainer, als Reiter 2000 mit Beerbaum Team-Olympiasieger und 2002 Weltcupsieger, praktisch unangreifbar.

Der zuweilen emotionale, aber vor allem rational agierende Beerbaum hat sich mit der Situation längst arrangiert: „In der Sache waren wir uns immer einig, auch wenn wir in einigen Dingen mal unterschiedlicher Meinung waren“, sagte der Weltklasse-Reiter zur gemeinsamen Vergangenheit. An seinem Vorgesetzten schätze er, „dass er immer alles direkt anspricht“ und Kritik „bei ihm nicht von hinten kommt“. Umgekehrt gilt das übrigens auch.