Springreiter Nationalteam startet ohne die besten Reiter ins WM-Jahr
Warendorf (dpa) - Zu Beginn des WM-Jahres hat Bundestrainer Otto Becker ein ernstes Problem. Die beiden besten Springreiter wollen nicht in der Nationalmannschaft reiten.
Die ohnehin schwierige Situation nach dem Karriere-Ende von Ludger Beerbaum spitzt sich durch den freiwilligen Verzicht von Christian Ahlmann und Daniel Deußer weiter zu. „Wenn sie nicht dabei sind, ist das ein großer Verlust“, sagt der Bundestrainer. „Beide sind Weltklassereiter und absolute Teamplayer.“
Ahlmann und Deußer wollen die Athletenvereinbarung nicht unterschreiben. Daher dürfen sie nicht im Team reiten - weder bei einem Nationenpreis-Turnier, wie es erstmals in zwei Wochen ansteht, noch bei der WM im September in Tryon/North Carolina.
An der Leistungsstärke von Ahlmann und Deußer gibt es keine Zweifel, auch wenn zuletzt einige Toppferde ausfielen und sie 2017 nicht für die EM in Frage kamen. Seit langem sind die beiden Profis in der Weltrangliste die beiden besten deutschen Springreiter.
Dem Coach stehen immer weniger Weltklasse-Paare zur Verfügung. Der A-Kader umfasst gerade einmal fünf Reiter. In diesem Quintett verfügt allein Marcus Ehnig über WM-Erfahrung. Er gehörte schon vor acht Jahren in Lexington/Kentucky zum deutschen Gold-Team.
„Ich tue mich schon lange damit schwer“, erklärt Deußer zu seiner Weigerung, die Athletenvereinbarung zu unterschreiben: „Jeder Anwalt sagt, dass ich das nicht machen soll.“ Der in Belgien lebende und arbeitende Profi sagt: „Wenn ich das Gefühl hätte, dass die Föderation zu 100 Prozent hinter den Reitern steht, dann würde ich es machen.“
Hier liegt wohl das Hauptproblem. Auch Ahlmann kritisiert an der Athletenvereinbarung, dass diese per Unterschrift den Gang vor ein ordentliches Gericht ausschließt. Und beide haben mit der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) „schlechte Erfahrungen“ gemacht, wie Deußer es ausdrückt. Es sind komplizierte Vorgeschichten bei beiden.
Ahlmann war nach der positiven Probe bei seinem Olympia-Pferd Cöster 2008 in Hongkong - wegen eines Einspruchs der FN - vom Sportgerichtshof CAS zu einer Doping-Sperre von acht Monaten verurteilt worden. Und er klagte vergeblich vor einem ordentlichen Gericht. Zudem erhielt Ahlmann eine zusätzliche Strafe durch die FN in Form einer zweijährigen Sperre für das Nationalteam.
Bei Deußer war es ähnlich, als die FN ihm nach zwei Dopingfällen in den USA als zusätzliche Maßnahme die Jahreslizenz 2008 verweigert hatte. Der jahrelange Rechtsstreit war erst im November 2017 durch einen Vergleich vor dem Landgericht Dortmund beendet worden. „Die Art und Weise, wie bei der FN gerichtet wurde, ist nicht korrekt“, findet Deußer.
„Sie haben die Vereinbarung vorher auch immer unterschrieben, und die hat sich nicht verändert“, sagt FN-Sportchef Dennis Peiler. In den zurückliegenden Jahren hatten Deußer und Ahlmann die Unterschrift einige Male erst nach Ritten bei Nationenpreisen und dann kurz vor EM, WM oder Olympia geleistet. 2017 unterschrieben beide nicht.
Der Bundestrainer hat mit Blick auf das WM-Team noch nicht aufgegeben. „Das Thema kommt im Sommer bestimmt noch mal wieder“, sagt Becker. „Ich habe immer noch die Hoffnung. Die Tür steht beiden offen.“