Totilas-Refinanzierung: Mit Samen Geld verdienen
Mühlen (dpa) - Der Sport muss warten. Das teuerste Dressurpferd der Welt soll zwar Gold-Medaillen gewinnen, muss aber zunächst einmal einen Teil der Rekord-Ablösesumme wieder hereinholen. Totilas wird in den kommenden Monaten in der Zucht eingesetzt.
Als Deckhengst soll das kostbare Pferd Sperma liefern, das dann teuer verkauft wird. Totilas erledigt vor den ersten Turnier-Auftritten mit seinem neuen Reiter Matthias-Alexander Rath ein Geschäft, das manchem merkwürdig vorkommt.
„Er hat Spaß daran gezeigt“, sagte Paul Schockemöhle lakonisch. Europas größter Pferdezüchter und -händler hat das Pferd für eine geschätzte Summe von zehn Millionen Euro in den Niederlanden gekauft und setzt Totilas nun auf seiner Hengststation in Mühlen im Landkreis Vechta ein. 4000 Euro pro Samen-Portion verlangt Schockemöhle, weitere 4000 werden fällig, wenn die künstliche Befruchtung erfolgreich ist. „Es gibt reichlich Anfragen“, berichtet Schockemöhle.
In den nächsten Monaten geht Totilas seinem Job auf der Besamungsstation von Schockemöhle im niedersächsischen Mühlen nach. Im Fachjargon erklärt die Pferdewirtschaftsmeisterin Christine Trompeter: „Die Hengste werden bei uns meist einmal pro Tag abgesamt.“
In der Praxis sieht das für Totilas so aus: Der Rappe springt auf ein sogenanntes Phantom. Das ist eine Attrappe, die mit Leder überzogen ist und für den Hengst eine Stute darstellt. Das Sperma wird in einem Beutel aufgefangen. „Die meisten Pferde akzeptieren das Phantom schnell“, sagt Trompeter.
Im Labor wird das Sperma untersucht und aufbereitet, zentrifugiert und mit einer Mischung aus Nährlösung und Eiweiß verdünnt. Innerhalb von 48 Stunden muss alles verarbeitet sein. „Wir versenden europaweit im 24-Stunden-Takt“, sagte Trompeter. „Auch Samstag und Sonntag.“
Schockemöhle geht davon aus, dass man pro Phantom-Sprung acht bis zehn Portionen herstellen kann. Der erfahrene Züchter sagt: „Er hat viel und guten Samen.“ Um eine hohe Erfolgsquote zu erzielen, sollen die Stuten möglichst nach Mühlen gebracht und dort befruchtet werden. „Hier haben wir die besten Möglichkeiten“, sagt Schockemöhle und erklärt das Deckgeschäft: Falls die erste Befruchtung nicht klappe, habe der Besitzer der Stute das Anrecht auf zwei weitere Versuche.
Wenn alles gut geht, haben Schockemöhle und die Familie Rath die Investition schnell refinanziert. Sie bilden eine Besitzergemeinschaft, die sich den Rekord-Transfer, aber auch die Einnahmen teilt. Bis Ende April soll Totilas decken und die Kasse klingeln lassen, ehe er für die Sport-Saison zu Rath nach Kronberg im Taunus wechselt. Bis dahin wird der Hengst in erster Linie von einer Angestellten des Schockemöhle-Stalls konditionell trainiert. Rath, der in Frankfurt studiert, reist alle 14 Tage an, um das Pferd am Wochenende zu reiten.
Rund vier Monate bleiben für den Sport, für die erhofften Medaillen. Nach der Europameisterschaft Ende August in Rotterdam soll das „Wunderpferd“ zurück nach Mühlen kommen, um wieder seinem Hauptjob nachzugehen.