Reschke: „Ich bin ein Diener des Clubs“
Stuttgarts Sportdirektor Michael Reschke war in Leverkusen und bei den Bayern Strippenzieher im Hintergrund. Nach 39 Jahren im Geschäft steht er jetzt in der ersten Reihe.
Stuttgart. Seit Anfang August wirbelt der Mann jetzt für den VfB Stuttgart. In kürzester Zeit verpflichtete Michael Reschke vier neue Spieler, nachdem sich der Club von Reschke-Vorgänger Jan Schindelmeiser getrennt hatte. Reschke, der vorher für Bayer Leverkusen und den FC Bayern München erfolgreich arbeitete, ist ein Mann mit sehr klaren Vorstellungen. Seit 39 Spielzeiten arbeitet Reschke in der Bundesliga. Der VfB-Sportvorstand über das Transfergeschäft, die Bundesliga und die Chancen des Aufsteigers.
Michael Reschke, Sie haben in kurzer Zeit eine beeindruckende Transferbilanz beim VfB Stuttgart hingelegt.
Michael Reschke: Das ist nicht meine Bilanz, das ist die Bilanz des VfB Stuttgart. Wir mussten den Kader umbauen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass zu große Kader nicht gut sind. Sie müssen bedenken, dass wir nur wenige Spieler mit wirklicher Bundesliga-Erfahrung hatten.
Viele Ihrer Kollegen fordern eine kürzere Transferzeit. Sie auch?
Reschke: Frühzeitig Klarheit zu haben, ist sicher ein Vorteil, zukünftig würde ich es begrüßen, wenn das Transferfenster früher schließt. Aktuell war ich froh, dass es bis zum 31. August geöffnet war.
Es bleibt trotzdem noch eine Menge Arbeit für Sie.
Reschke: Als ich noch Jugendtrainer bei Bayer Leverkusen war, habe ich zweimal in Stuttgart gespielt. Ralf Rangnick war damals Trainer. Ich habe mit 0:4 und 3:7 verloren. Marc Kienle, Oliver Otto und Thomas Schneider waren in dieser Mannschaft. Kürzlich waren sechs Spieler aus dem Zentrum Teil der deutschen Nationalmannschaft, der VfB Stuttgart war in der Jugendarbeit ein Vorzeigeverein, da wollen wir wieder hin.
Wären Sie ohne die Ausgliederung der Profiabteilung auch nach Stuttgart gekommen?
Reschke: Diese Frage stellte sich mir nicht. Als mich Präsident Wolfgang Dietrich anrief, war die Ausgliederung Fakt. Und diese Ausgliederung ist die Basis der zukünftigen Entwicklung.
Reden wir noch mal über das irrsinnige Transfergeschäft im Fußball.
Reschke: Das sind Summen, die wahnsinnig erscheinen, die aber in der Bundesliga nicht an der Tagesordnung sind. In der Liga wird seriös gearbeitet. Ich muss mich als Sportvorstand an den Marktgegebenheiten orientieren. Alles andere wäre fahrlässig. Und wie sich die Lage zukünftig entwickelt, kann ich nicht sagen.
Sie waren erfolgreich in Leverkusen und beim FC Bayern. Und immer im Hintergrund erfolgreich. Hand aufs Herz, irgendwann will man auch mal in der ersten Reihe stehen, oder?
Reschke: Gute Frage. Ich war bisher immer im Hintergrund und bin sehr gut damit gefahren. Ich habe schon in Leverkusen Transfers gestemmt, die erhebliches Gewicht hatten. Unser öffentliches Gesicht war aber immer Rudi Völler. Ich bin damit gut gefahren. Ich musste daran nichts ändern. Der Preis beim VfB Stuttgart ist, dass ich öffentlich werde.
Ist der VfB Stuttgart als Aufsteiger ein Abstiegskandidat?
Reschke: Die Situation in der Bundesliga ist in dieser Saison speziell. Es gibt keinen klassischen Abstiegskandidaten und zehn Vereine, die definitiv mit dem Abstieg nichts zu tun haben werden. Die anderen acht kämpfen gegen den Abstieg. Und wir müssen sehen, dass am Ende drei hinter uns stehen. Ein zweiter Abstieg für den VfB hätte gravierende Folgen. Ich glaube nicht, dass sich die Zweitliga-Erfolgsgeschichte der vergangenen Saison ohne Weiteres wiederholen lässt. Ich bin jetzt in der 39. Saison in der Bundesliga, ich weiß ziemlich genau, wie die Dinge laufen.
Aber ein Selbstläufer wird das trotzdem nicht.
Reschke: Die Situation ist die, wenn du dreimal hintereinander verlierst und die ersten Fragen gestellt werden, es erste Zweifel gibt. Dann darf sich nicht ein Zersetzungsprozess einschleichen. Dann musst du das vierte Spiel möglichst gewinnen.
Ihre Selbstdefinition?
Reschke: Ich sehe mich als ein Diener des Clubs, auch wenn sich das pathetisch anhört.