„Russlands Täuschungsmanöver“ - ARD-Doku zeigt Verstöße
Köln (dpa) - Das angeblich große Reinemachen in der russischen Leichtathletik nach dem Doping- und Betrugsskandal wird durch neue Vorwürfe zur Farce.
Die TV-Dokumentation „Geheimsache Doping: Russlands Täuschungsmanöver“ hat in der TV-Sendung „Sport Inside“ des WDR Belege für Verstöße von Russlands Leichtathletik gegen Auflagen vom Weltverband IAAF und der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA präsentiert. Die IAAF hatte Russland weltweit suspendiert und mit Ausschluss von den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro gedroht.
In der 30-minütigen Dokumentation werden nicht nur schwere Anschuldigungen gegen die neue Chefin der russischen Anti-Doping-Agentur RUSADA, Julia Anzeliowitsch erhoben. Auch über gesperrte Trainer, die in der Provinz weiter arbeiten, und einen Cheftrainer namens Juri Gordejew, der als Doping-Dealer nebenbei Geld verdienen soll, wird berichtet.
Der TV-Bericht lässt auch die IAAF aufhorchen, dessen Council am Donnerstag und Freitag über die russische Doping-Affäre in Monte Carlo beraten wird. „Die IAAF-Taskforce wird die Vorwürfe in der Dokumentation sorgfältig prüfen und mit den Repräsentanten des russischen Verbandes RUSAF diskutieren“, hieß es in einer Stellungnahme der IAAF zu dem ARD-Beitrag. Die Taskforce überwacht die Erneuerung der Leichtathletikstrukturen Russlands.
Auch die deutsche Anti-Doping-Agentur NADA äußerte sich. „Die nun aufgedeckten Sachverhalte in Russland sind besorgniserregend“, sagte Dr. Andrea Gotzmann, NADA-Vorstandsvorsitzende, laut einer Mitteilung.
„Ich weiß, dass der Film ausgestrahlt wird“, sagte Russlands Sportminister Witali Mutko schon am Samstag der Nachrichtenagentur TASS. Er sprach von „künstlichen und politisierenden Anschuldigen“.
Als einfache Mitarbeiterin der RUSADA soll Anzeliowitsch laut ARD für regelwidrige Dopingkontrollen verantwortlich gewesen sein. Geheime Aufzeichnungen von Gesprächen mit einer Sportlerin belegen dies. „Möchten Sie Ihre Dopingprobe nächste Woche abgeben, einverstanden? Wir haben ja genügend Zeit bis Herbst, kein Problem“, lautet eine O-Ton von Anzeliowitsch.
„Wenn ein Offizieller absichtlich Athleten vorab über Dopingtests informiert, um das Kontrollsystem zu unterlaufen, müssen disziplinarische Konsequenzen folgen“, sagte Joseph de Pencier, Vorsitzender der Internationalen Vereinigung der nationalen Anti-Doping-Organisationen (INADO). „Nach dem derzeitigen Kenntnisstand sollten die russischen Leichtathleten nicht zu den Olympischen Spielen zugelassen werden.“
Auf die Spur gekommen ist ARD-Filmautor Hajo Seppelt auch dem russischen Trainer Wladimir Mochnew, der im Zuge des Doping-Skandals gesperrt wurde, aber in der zentralrussischen Stadt Gubkin weiter Nachwuchssportler betreut. Er wird sogar in den Protokollen der russischen Wintermeisterschaften offiziell als Betreuer geführt.
„Offensichtlich hat sich die Situation, wie sie von der WADA-Kommission beanstandet worden ist, nicht substanziell geändert“, sagte Clemens Prokop, Chef der deutschen Leichtathleten laut ARD-Mitteilung.
Die IAAF-Führung ist durch die kriminellen Machenschaften des früheren IAAF-Präsidenten Lamine Diack, der in Frankreich wegen Vertuschung von Doping-Proben, Erpressung und Geldwäsche angeklagt ist, in Misskredit geraten.
Zwei vorherige Sendungen der ARD/WDR-Dopingredaktion hatten im November 2015 dazu beigetragen, dass die IAAF Russlands Leichtathleten auf unbestimmte Zeit von allen internationalen Wettkämpfen ausschloss. Russlands Sportführung gelobte Besserung und versprach grundlegende Reformen.