Aufholjagd ohne Erfolg: DTB-Damen scheitern in Russland
Sotschi (dpa) - „Im Moment überwiegt die komplette Enttäuschung“, sagte Bundestrainerin Barbara Rittner, als sie nach der 2:3-Niederlage im Fed-Cup-Halbfinale gegen das russische B-Team zur Pressekonferenz erschien.
Rechts von ihr saßen Angelique Kerber und Andrea Petkovic, links von ihr Sabine Lisicki und Julia Görges. Alle schauten wie versteinert ins Nichts. Zuvor war die Teamchefin der deutschen Tennis-Damen wie einst Franz Beckenbauer erst einmal alleine über den Platz gegangen und hatte sich schließlich gedankenverloren an die Bande gehockt.
Auch als der erste russische Reporter wissen wollte, wie ihnen denn die Stadt Sotschi so allgemein gefallen habe, verzogen sie keine Miene. Das erste dezente Lächeln zeigte Rittner, als sie am Ende eines denkwürdigen Wochenendes vom Tourismusminister der Region Krasnodar in Plastiktüten verpackte Gastgeschenke erhielten.
„Ich habe wieder viel gelernt in dieser Woche“, sagte Rittner und ließ damit durchaus Raum für Spekulationen. Die oft viel beschworene Harmonie im deutschen Team scheint nach den Irrungen und Wirrungen der vergangenen Tage durchaus Schaden genommen zu haben. Denn im Gegensatz zum Fußball-Weltmeister-Trainer Beckenbauer 1990 in Rom musste die deutsche Teamchefin gut fünf Monate nach dem verlorenen Endspiel in Tschechien eine weitere Enttäuschung verkraften.
Vor den Augen von IOC-Präsident Thomas Bach wurden die Hoffnungen auf eine historische Wende nach den Niederlagen von Lisicki und Julia Görges am Eröffnungstag und die Chance auf eine Revanche im Heim-Finale gegen die Tschechinnen am Sonntag jäh zerstört.
Nach der 2:6, 3:6-Niederlage von Petkovic und Lisicki im entscheidenden Doppel gegen Anastasia Pawljutschenkowa und Jelena Wesnina wurde Petkovic auf dem Platz von Heulkrämpfen geschüttelt und ließ sich auch von ihrer Freundin Angelique Kerber nicht trösten. Die für den Verlierer so nervtötende Queens-Hymne „We are the champions“ dröhnte, die Russinnen rannten mit ihrer Fahne über die rote Asche.
Am Dienstag hatte Petkovic der Bundestrainerin signalisiert, dass sie gar nicht antreten wolle. Dann aber vermittelte sie zeitweise den Eindruck, spielen zu können und zu wollen. So verzichtete Rittner am Samstag auf ihre nominellen Spitzenkräfte Petkovic und Angelique Kerber. „Angie war vor allem körperlich platt. Bei Andrea hat man gemerkt, dass sie mental an der Grenze ist“, sagte Rittner.
Die Strapazen der knapp sechswöchigen USA-Tournee hatten Spuren bei den beiden Spielerinnen hinterlassen. Doch nach einer „chaotischen Woche“ (Petkovic) und dem 0:2-Rückstand durch die Niederlagen von Lisicki gegen Pawljutschenkowa und Julia Görges gegen Swetlana Kusnezowa am völlig verkorksten Eröffnungstag wird sich jetzt auch Rittner die unvermeidlichen Fragen nach ihrer Nominierung gefallen lassen müssen.
Am Sonntag nämlich deklassierten Petkovic (6:2, 6:1 gegen Kusnezowa) und Kerber (6:1, 6:0 gegen Pawljutschenkowa) ihre Gegnerinnen und sorgten für den Hoffnung weckenden Ausgleich zum 2:2. Auf den ersten Blick scheint sich die erfahrene und sonst so clevere Teamchefin schlicht und einfach mit ihrer Entscheidung, in den ersten beiden Einzeln auf Petkovic und Kerber zu verzichten, verzockt zu haben.
Ihr Schachzug mit der müden Petkovic anstelle der Doppel-erfahrenen Görges ging am Sonntag ebenfalls nicht auf. Wer allerdings Petkovic und Kerber nach ihrer Ankunft trainieren sah und sich mit ihnen unterhielt, konnte die Bedenken der Bundestrainerin durchaus nachvollziehen. Vor allem Lisicki erfüllte aber die Erwartungen nicht. „Es war nicht ihr Wochenende“, kommentierte Rittner bei Sat.1 Gold knapp. Nach der misslungenen Personal-Rochade scheint es im deutschen Damen-Team durchaus Gesprächsbedarf zu geben.