Becker nach Fünf-Satz-Kraftakt erstmals in Runde drei
Melbourne (dpa) - Benjamin Becker riss beide Arme in den Nachthimmel über Melbourne und drosch einen Ball auf die Zuschauerränge. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte der Tennisprofi aus dem Saarland ein Match über fünf Sätze gewonnen.
Im Alter von 33 Jahren.
Nach einem 0:2-Rückstand. Und das bei den Australian Open gegen Rekordhalter, Publikumsliebling und Ex-Finalist Lleyton Hewitt. „Das tut auf jeden Fall gut und war sehr wichtig fürs Selbstvertrauen“, sagte der Mettlacher nach seinem 2:6, 1:6, 6:3, 6:4, 6:2-Sieg gegen den 19-maligen Melbourne-Starter. Zum ersten Mal seit den denkwürdigen US Open 2006 mit seinem Triumph über Andre Agassi kam Becker bei einem der vier Grand-Slam-Turniere über die zweite Runde hinaus.
Auf dem Platz hatte er sich nach dem dreistündigen Kraftakt und seiner Jubelgeste der Erleichterung erst einmal auf die Bank plumpsen lassen. Den Abgang des ehemaligen Weltranglisten-Ersten und zweimaligen Grand-Slam-Champions beobachtete er respektvoll und reagierte fast ein wenig ungläubig auf die Aufforderung zum Siegerinterview mit dem früheren Melbourne-Champion Jim Courier inmitten der Rod-Laver-Arena. Dort hatte er mal wieder den Zuschauern die Heimspiel-Feststimmung verdorben.
„Ich hoffe sehr, dass es nicht sein letztes Match war“, sagte Becker, als er eine Stunde nach dem per Hawk-Eye abgesicherten Matchball gegen Hewitt in den größten Interviewraum im Melbourne Park durfte - und natürlich auch wieder nach Agassi gefragt wurde.
Vor mehr als acht Jahren beendete Becker, den mit dem großen Boris Becker keinerlei familiäre Beziehungen verbinden, in der dritten Runde der US Open die Karriere des Ehemannes von Steffi Graf. Als „Kerl, der Bambi erschießt“, bezeichnete Andy Roddick damals den Deutschen. In New York feierte Becker 2006 auch mit dem Achtelfinal-Einzug den größten Erfolg bei einem Grand Slam.
Bei den Australian Open schaffte es der Vater zweier Söhne nun zum ersten Mal in die dritte Runde und vertritt dort als Solist die zuvor reihenweise gescheiterten deutschen Herren. „Ich habe mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen“, sagte Becker weit nach 23 Uhr Ortszeit und wollte sich über seinen nächsten Gegner Milos Raonic „heute noch keine Gedanken machen“. Gegen den an Nummer acht gesetzten Kanadier hat Becker von drei Partien zwei verloren. „Er ist der beste Aufschläger der Welt, es wird sehr schwer gegen ihn“, sagte der Weltranglisten-41. vor dem Duell an diesem Samstag - und verließ mit einem Teller Nudeln in der Hand die Anlage am Yarra River.
Becker hat einen untypischen Karriereweg genommen mit einem Studium in International Business und Finanzen in den USA und einem recht späten Entschluss im Jahr 2005, es nach einem gescheiterten Versuch fünf Jahre zuvor doch als Profi auf der ATP-Tour zu versuchen.
Und nach einigen Auszeiten wegen hartnäckiger Ellenbogenverletzungen hat sich der aktuell zweitbeste Deutsche nach dem ausgeschiedenen Philipp Kohlschreiber vor allem im vergangenen Jahr wieder nach vorne gekämpft und erreichte das Endspiel in 's-Hertogenbosch oder das Halbfinale in Atlanta. Nun hat er sich für seine Hartnäckigkeit noch einmal mit einem großen Auftritt belohnt. „Ich bin auch froh, dass ich es endlich mal wieder in eine dritte Runde geschafft habe“, sagte Becker. „Ich bin glücklich, dass ich mich durchgekämpft habe.“
Am Donnerstag schieden Mona Barthel und Matthias Bachinger in der zweiten Runde aus. Die 24-Jährige aus Neumünster verpasste gegen die zweimalige Wimbledonsiegerin Petra Kvitova eine Überraschung klar und musste sich der an Nummer vier gesetzten Tschechin mit 2:6, 4:6 geschlagen geben. „Wenn Petra so gut spielt, ist es echt schwierig, eine Chance gegen sie zu haben“, sagte Barthel nach dem 79-minütigen Match. Qualifikant Bachinger verlor gegen den finnischen Linkshänder Jarkko Nieminen 6:7 (4:7), 5:7, 5:7.