Berrer genießt trotz Melbourne-Aus
Melbourne (dpa) - Das Leben als Tennisprofi kann manchmal ganz schön surreal sein. Vor allem, wenn man nicht zu den Privilegierten wie Rafael Nadal, Novak Djokovic und Co. gehört, sondern in der Weltrangliste jenseits der Top 100 steht.
Da kann es schon passieren, dass man in der einen Woche auf der großen Bühne eines Grand-Slam-Turniers aufschlägt und wenige Tage später schon wieder bei einem zweitklassigen Challenger Event weit ab der Tennis-Öffentlichkeit dem gelben Filzball hinterherjagt.
Michael Berrer ist einer dieser Spieler, der seit Jahren ein Leben zwischen den Welten führt. Bei den Australian Open in Melbourne schaffte es der Stuttgarter als einer von nur zwei Deutschen in der Herren-Konkurrenz in die zweite Runde. Gegen den an Nummer 26 gesetzten Spanier Feliciano Lopez kämpfte der 33-Jährige im Melbourner Wetterchaos 2:13 Stunden lang verbissen um einen Verbleib in der großen, weiten Tennis-Welt, doch am Ende reichte es beim 4:6, 6:7 (6:8), 4:6 nicht ganz.
„Es hat mir hier trotzdem ganz gut gefallen“, sagte Berrer. „Es hat Spaß gemacht.“ Spaß gemacht? An einem Tag, an dem erstmals seit 2009 wegen der großen Hitze wieder Spiele unterbrochen, verschoben und von Platz zu Platz verlegt wurden? „Man muss die Atmosphäre bei diesen Turnieren einfach aufsaugen“, sagte Berrer. „Ich habe schon ein gutes Leben - und das weiß ich auch.“
Es ist schade, dass dieser 1,93-Meter-Hüne, der jahrelang den Titel „schwerster Spieler auf der Tour“ mit Stolz und Selbstironie mit sich herumtrug, nicht weiter vorne in der Rangliste platziert ist. Denn Berrer ist ein Typ, der etwas zu erzählen hat, nach Spielen nicht nur darüber redet, welche Vorhand er in welcher Situation vielleicht etwas anders hätte spielen sollen.
Doch weiter als auf Rang 42 im Mai 2010 ging es für den Schwaben nicht. Und so hat er im Spätherbst seiner Karriere beschlossen, das Leben auf der Tour nicht mehr ganz so ernst zu nehmen. „Ich will die nächsten zwei Jahre einfach genießen“, sagte Berrer. Bald schließt er seinen Bachelor in Psychologie an der Fernuniversität in Phoenix/Arizona ab, den er dank einer Scholarship von der Tennis-Herren-Organisation ATP vor einiger Zeit begonnen hatte. „Das nimmt einem ein wenig den Druck, mal sehen, was ich danach damit mache“, sagte der Familienvater.
Zunächst einmal geht es für Berrer auf der Tennis-Tour weiter und da erst einmal zurück in eine andere Welt. Dorthin, wo nicht tausende Zuschauer täglich auf die Anlage strömen und die Stars ein Shuttle-Service stets dahin bringt, wo sie hinwollen. Auf das erste Grand-Slam-Turnier der Saison folgen für Berrer die Heilbronn Open unweit seines zu Hauses. „Ich liebe dieses Turnier, ich bin der Einzige, der es dreimal gewonnen hat.“
Wenn der Schwabe über das Challenger-Event spricht, leuchten seine Augen genauso wie kurz zuvor, als er von seinen Erlebnissen bei den Australian Open erzählt. „Man darf das alles nicht so ernst nehmen“, sagte der zweimalige Turniersieger auf der ATP-Tour. „Wenn es gut läuft, schön, wenn nicht, fahre ich eben wieder nach Hause.“
Von dort aus wird er auch verfolgen, wer in der großen Tennis-Welt das erste wichtige Turnier des Jahres für sich entscheidet. Bislang gaben sich die Favoriten in Melbourne keine Blöße. Am Donnerstag marschierten Rafael Nadal, Andy Murray und Roger Federer jeweils klar in drei Sätzen in die dritte Runde. Nur der an Nummer fünf gesetzte Argentinier Juan Martin del Potro schied in fünf Sätzen gegen den Spanier Roberto Bautista Agut aus.