„Bum Bum Bine“ Lisicki: Auf den Spuren von Steffi Graf

London (dpa) - Als Sabine Lisicki im Januar 2008 nach ihrem Erstrunden-Sieg bei den Australian Open verkündete, sie wolle die Nummer eins der Tennis-Welt werden, schwankte die Einschätzung der Zuhörer zwischen Größenwahn und Selbstbewusstsein.

18 Jahre alt war die blonde Deutsche, in der Rangliste auf Platz 194 notiert. Nach der dritten Runde war damals Schluss - und viele dachten: Wieder eine, deren Worte vielversprechender sind als die Taten auf dem Platz.

Jetzt steht diese Sabine Lisicki im Endspiel der traditionsreichsten Veranstaltung, die ihre Sportart zu bieten hat. Im Finale von Wimbledon. „Es könnte nicht besser sein, und es könnte keinen besseren Ort für mein erstes Grand-Slam-Finale geben“, sagte sie nach ihrem Halbfinal-Sieg gegen die Polin Agnieszka Radwanska.

Die 1,78 Meter große Rechtshänderin liebt die ganz großen Bühnen, hier zeigt sie ihr bestes Tennis. Am allerliebsten spielt sie an der Church Road - trotz einer Rasenallergie. „Sabine ist eine kleine Rampensau, die große Bühnen mag und darauf brennt, allen zu zeigen, wie gut sie wirklich ist“, sagte Bundestrainerin Barbara Rittner.

Dabei musste die neue deutsche Tennis-Queen schon Rückschläge verkraften, die für eine ganze Karriere reichen. 2009 wurde sie bei den US Open mit einem Rollstuhl vom Platz gefahren, die befürchtete schwere Verletzung bestätigte sich aber nicht. Im März 2010 zog sich Lisicki einen Bänderriss zu, musste fünf Monate pausieren und verpasste Wimbledon. Ein Drama spielte sich auch 2011 bei den French Open ab, als sie völlig entkräftet auf einer Trage den Platz verlassen musste.

Auch das vergangene Jahr begann mit Sorgen. 2012 machte Lisicki eine Bauchmuskelverletzung lange zu schaffen, aber sie wollte unbedingt bei den Olympischen Spielen dabei sein. Zumal das Olympia-Turnier da stattfand, wo sie am liebsten ist - in Wimbledon.

In diesen wundersamen Wimbledon-Tagen blickte sie auf die schwere Zeit zurück. Sie sagte: „Ich musste wieder lernen, zu laufen. Da habe ich gemerkt, wie dankbar man sein muss, zwei gesunde Beine zu haben.“ Als Lisicki auf Krücken gehen musste, las sie die Bücher des alpinen Skistars Hermann Maier, der nach einem Motorradunfall zurückkam und trotzdem noch einmal Gesamt-Weltcupsieger wurde, und von Football-Star Drew Brees von den New Orleans Saints, der nach einer schweren Schulterverletzung um seine Karriere bangen musste.

Im Alter von sieben Jahren begann die Tochter eines promovierten Sportwissenschaftlers und einer Künstlerin mit dem Tennis. Ihre Eltern Richard und Elisabeth zogen von Polen nach Deutschland. Geboren wurde Sabine Lisicki am 22. September 1989 in Troisdorf, seit 2003 lebt die Familie in Berlin. Lisicki hat mittlerweile einen Wohnsitz in der Hauptstadt und in Bradenton/Florida.

Mit 14 wechselt die schon damals ehrgeizige Sportlerin an die berühmte Tennisakademie von Trainer-Legende Nick Bollettieri in den USA. Dort lernt sie nicht nur ihr markantes Power-Tennis mit den harten Aufschlägen, sondern auch den american way of life. Alles ist möglich, alles kann passieren, wenn man nur will.

Genau mit dieser Einstellung geht Lisicki ihrer großen Passion nach. Am besten gelingt ihr das in Wimbledon. Sie liebt das Spiel auf dem Rasen, hier stand sie vor ihrem wundersamen Final-Einzug 2013 schon im Viertelfinale (2009, 2012) und im Halbfinale (2011). Vor zwei Jahren unterlag sie der Russin Maria Scharapowa. Die Engländer tauften sie trotzdem „Bum Bum Bine“ oder „Doris Becker“.

Nun will sich Lisicki in die Legendengalerie neben Boris Becker und Steffi Graf einreihen. Sie ist die erste Deutsche im Wimbledon-Finale seit Graf 1999. Sie will sich als erste Deutsche seit Grafs Sieg gegen Arantxa Sánchez-Vicario 1996 zur Wimbledon-Championesse krönen. „Damit würde ein Traum in Erfüllung gehen. Seit ich ein kleines Mädchen war, träume ich davon, Wimbledon zu gewinnen. Noch ein Match und dann schauen wir mal, was dann ist.“