Davis-Cup-Team vor Sensation: Kamke und Gojowczyk siegen
Nancy (dpa) - Das hatte niemand erwartet! Das deutsche Tennis-Team ist nur noch einen Sieg vom Halbfinale im Davis Cup entfernt.
Dank zweier leidenschaftlicher Auftritte von Tobias Kamke und Peter Gojowczyk führt die völlig umgekrempelte Mannschaft von Teamchef Carsten Arriens in Frankreich nach dem ersten Tag mit 2:0 und schnuppert an der großen Sensation.
Zwei Monate nach dem Eklat von Frankfurt setzte sich die neue deutsche Nummer eins Tobias Kamke in Nancy zunächst gegen Julien Benneteau mit 7:6 (10:8), 6:3, 6:2 durch. Danach bezwang Debütant Gojowczyk den französischen Spitzenspieler Jo-Wilfried Tsonga in einem Fünf-Satz-Thriller völlig überraschend mit 5:7, 7:6 (7:3), 3:6, 7:6 (10:8), 8:6 und zeigte dabei die beste Leistung seiner Karriere.
„Gegen Tsonga in Frankreich im Viertelfinale des Davis Cups zu gewinnen, das ist ein unglaubliches Gefühl“, sagte die Nummer 119 der Welt nach der Partie völlig entkräftet. Teamchef Arriens war ebenfalls begeistert. „Was soll ich zu diesem Spiel sagen. Das muss man einfach fühlen und spüren, und ich hoffe, dass Gojo das auch so macht“, sagte Arriens. „Das hat er herausragend gemacht.“
Die Entscheidung könnte nun bereits am Samstag im Doppel fallen. Hierfür hat Arriens weiter Kamke und Andre Begemann vorgesehen. Änderungen sind aber bis Samstagmittag noch möglich. „Mit dem 2:0 im Rücken können wir jetzt befreit aufspielen“, meinte Arriens. Allerdings warnte er vor Euphorie. „Es fühlt sich immer noch so an, als sei das Duell kaum zu gewinnen. Die Franzosen werden noch einmal vehementen Widerstand leisten.“
Nachdem Gojowczyk den französischen Publikumsliebling Tsonga in 4:19 Stunden niedergerungen hatte, ballte er die Faust und blickte ungläubig zur deutschen Bank. Dort sackte Arriens in einer Mischung aus Begeisterung und Erschöpfung in die Knie, ehe er seinen Schützling wenig später väterlich in die Arme schloss. Danach fielen sich in Gojowczyk und Kamke die beiden neuen deutschen Tennis-Helden um den Hals - solche Bilder hatte nach den Tumulten von Frankfurt niemand erwartet.
Egal wie das Duell mit den klar favorisierten Franzosen am Ende ausgeht, dem deutschen Team ist der Neuanfang bereits jetzt auf bemerkenswerte Art und Weise gelungen. Von den in Nancy verletzt fehlenden Tommy Haas, Philipp Kohlschreiber und Florian Mayer sprach nach den starken Vorstellungen des neuen Teams vorerst niemand mehr. Das Trio hatte sich Anfang Februar gegen Spanien geweigert, am Schlusstag zum bedeutungslosen Einzel anzutreten, und den Deutschen Tennis Bund damit in schwere Turbulenzen versetzt.
Gojowczyk zeigte von Beginn an keinen Respekt vor Tsonga. Im vierten und fünften Satz wurde der Münchner aber von Krämpfen geplagt und musste zweimal behandelt werden. Dennoch wehrte er im vierten Durchgang zwei Matchbälle ab, eher er im fünften Abschnitt selbst seine dritte Chance zur Sensation nutzte. „Beim 2:1 im fünften Satz habe ich überlegt, wie ich überhaupt weiterspielen soll“, gestand Gojowczyk.
Kamke hatte zuvor ebenfalls auf ganzer Linie überzeugt. Als er das Auftakteinzel im Palais des Sports Jean Weille gegen Benneteau in drei Sätzen für sich entschieden hatte, sank der 27 Jahre alte Lübecker völlig überwältigt auf die Knie und schrie seine Freude und Erleichterung laut heraus. Auch Arriens konnte seine Begeisterung nicht zurückhalten und lief beschwingt auf den Court, um seinen Schützling zu umarmen.
„Er hat mir gesagt, dass er sehr stolz auf mich ist und dass ich genau das auf den Platz gebracht habe, was er von einem Davis-Cup-Spieler erwartet“, sagte Kamke. Laut ihm hatte Arriens das Team am Dienstag auf die schwere Aufgabe eingeschworen und mit einer emotionalen Rede auf die Bedeutung des Davis Cups hingewiesen. „Das war sehr inspirierend“, sagte Kamke. „Danach wäre ich am liebsten sofort rausgegangen und hätte gespielt“, sagte die Nummer 96 der Welt. Doch Kamke musste noch drei Tage warten, ehe er seinen ersten Sieg im Davis Cup feiern und das Vertrauen des Trainers rechtfertigen konnte.