„Egal, gegen wen“: Kerbers neues Selbstverständnis
New York (dpa) - Schon zwölf Mal standen sich die US-Open-Halbfinalistinnen Angelique Kerber und Caroline Wozniacki gegenüber. Die Bilanz spricht knapp für Deutschlands Nummer eins. Doch Wozniacki trumpft auf wie früher.
Das einseitige Match ihrer Halbfinal-Gegnerin schaute sich Kerber gemütlich im Hotelzimmer an. „Ganz zu Ende werde ich es aber nicht sehen. Das ist mir zu lange. So viel Neues wird eh nicht dabei sein“, sagte die Nummer zwei der Tennis-Welt vor dem spannungsgeladenen Duell um den Einzug ins Endspiel der US Open am Donnerstag (Ortszeit/Freitag ab 1.00 Uhr MESZ).
Zum zweiten Mal nach 2011 steht die Kielerin beim vierten und letzten Grand-Slam-Turnier der Saison im Halbfinale. Fünf Jahre nach ihrem wundersamen Aufstieg in die Weltspitze bekommt es die mittlerweile 28-Jährige mit der ehemaligen Weltranglisten-Ersten zu tun - und geht mit dem Selbstverständnis einer Spitzenspielerin in die Partie.
„Es ist viel passiert. Ich bin eine ganz andere Spielerin. Vor fünf Jahren saß ich hier, war nervös und hatte keine Ahnung, was ich antworten soll“, erzählte Kerber nach ihrem imponierenden 7:5, 6:0-Sieg gegen die Vorjahresfinalistin Roberta Vinci aus Italien.
Nun hat die Linkshänderin aus Kiel ihr drittes Grand-Slam-Halbfinale in diesem Jahr erreicht und steht dicht vor ihrem dritten Endspiel nach dem Australian-Open-Triumph und der Niederlage in Wimbledon gegen Serena Williams. Dass Kerber auch noch die Chance auf die Übernahme der Führung in der Weltrangliste hat, blendet sie zumindest in der Öffentlichkeit aus. Stattdessen predigt die Norddeutsche wieder und wieder, dass ihre nächste Gegnerin die schwerste sei.
„Es ist egal, gegen wen ich spiele. Ich muss mich auf mich konzentrieren und den Druck ausblenden“, sagte Kerber. Zwölfmal hat sie sich bereits mit der 26 Jahre alten Dänin gemessen, im direkten Vergleich steht es 7:5 für Kerber. „Sie ist wieder richtig gut drauf und hat hier einige gute Siege gefeiert. Das wird ein harter Kampf“, sagte Kerber vor dem Duell mit ihrer guten Freundin Wozniacki.
Als erst sechste Spielerin der Historie außerhalb der Top 50 schaffte es Wozniacki bei den US Open in die Vorschlussrunde. Nach Verletzungen und sportlichen Rückschlägen liegt sie nur noch auf Platz 74 der Weltrangliste, feiert aber gerade ein bewundernswertes Comeback mit Siegen gegen die frühere Grand-Slam-Siegerin Swetlana Kusnezowa, die an Nummer acht gesetzte Madison Keys oder jetzt im Viertelfinale gegen Favoriten-Schreck Anastasija Sevastova.
„Es ist ein großartiges Gefühl bei diesem Turnier, das ich so sehr liebe“, sagte Wozniacki nach ihrem 6:1, 6:2-Erfolg gegen die am Knöchel verletzte Sevastova. In New York hat sie eine Wohnung nahe dem Union Square, lässt sich von ihrer Mutter bekochen und wird von den Fans als Publikumsliebling wie eine Einheimische gefeiert. Gegen Kerber allerdings, mit der sie vor einigen Jahren schon gemeinsam Urlaub gemacht hat, geht sie als Außenseiterin in die Partie.
„Sie hatte ein großartiges Jahr und wird schwer zu schlagen sein“, sagte Wozniacki. Tatsächlich tritt Kerber bislang so dominant und überzeugend auf, dass ein Halbfinal-Aus eine Überraschung wäre. Und dann wäre es nur noch ein Sieg bis zur Krönung als neue Nummer eins der Welt.