Ein Schritt für Lisicki bis zum Tennis-Olymp
London (dpa) - Nur noch ein Sieg auf dem Heiligen Rasen! Nur noch ein Schritt bis zum Einzug in den Tennis-Olymp! Als erste Deutsche in einem Wimbledon-Endspiel seit Steffi Graf strebt Sabine Lisicki ihre ganz persönliche Krönung an.
„Es war bislang eine großartige Reise. Sie ist noch nicht zu Ende“, sagte die 23 Jahre alte Berlinerin bei der Pressekonferenz der Finalistinnen. Blendend gelaunt wie schon in den Tagen zuvor präsentierte sich die neue deutsche Tennis-Queen: Die Sonnenbrille hochgesteckt, die langen blonden Haare seitlich zu zwei Zöpfen gebunden.
„Ich fühle mich echt richtig gut“, sagte Lisicki und plauderte locker über ein Gespräch mit Boris Becker, SMS-Nachrichten von Dirk Nowitzki und Manuel Neuer oder den alten roten Nissan Micra ihrer Eltern, mit dem sie früher von Turnier zu Turnier gefahren ist.
Lisicki wirkte entspannt und dennoch hochkonzentriert. „Ich bin noch wirklich im Turniermodus drin“, sagte sie. „Ich denke nur an das nächste Match, dass ich da rausgehen will und es gewinnen muss. Ich werde alles geben, mein bestes Tennis abliefern und sehen, was passiert“, sagte sie vor dem letzten Akt ihres bislang so begeisternden Schauspiels. „Wir werden alle im Finale mitfiebern und drücken ihr fest die Daumen!!!“, schrieb die siebenmalige London-Siegerin Steffi Graf auf ihrer Facebook-Seite.
An diesem Samstag darf Lisicki ein letztes Mal in diesem Jahr die ruhmreichste Bühne betreten, die ihre Sportart zu bieten hat. Ihre Gegnerin Marion Bartoli stand schon einmal im Endspiel der Offenen Englischen Meisterschaften. 2007 verlor die Französin mit der unorthodoxen Spielweise und dem anstrengenden Gezappel zwischen den Ballwechseln gegen Venus Williams aus den USA.
Und auch 2013 soll der überdimensionale Silberteller am Samstagnachmittag nicht in die Hände der 28-Jährigen gelangen. Deutschland fiebert erstmals seit Jahren wieder mit einer heimischen Tennisspielerin. Die 23 Jahre alte Lisicki soll die Sehnsucht nach der ersten Wimbledon-Siegerin seit Steffi Graf im Jahr 1996 stillen. Freie Fernsehbilder vom großen Lisicki-Auftritt wird es in der Heimat nicht geben, was Lisicki als „sehr schade“ bezeichnete.
„Du musst es noch einmal machen baby“, twitterte der frühere Champion Boris Becker, als Lisicki im Halbfinale die Weltranglisten-Vierte Agnieszka Radwanska nach einer turbulenten Achterbahnfahrt aus dem Turnier geworfen hatte. „Das nächste deutsche Sommermädchen“ machte die österreichische Zeitung „Kurier“ aus.
So nah dran ist die Berlinerin am größten Erfolg ihrer Karriere. So nah dran, sich endgültig in den deutschen Tennis-Geschichtsbüchern einzuschreiben. So dicht vor dem Titel bei ihrem Lieblingsturnier, das sie schon als Kind mit ihren Eltern besuchte. „Ich weiß noch, wie wir zum ersten Mal hier waren. Ich habe große Augen gemacht und gedacht, das ist einfach nur toll hier“, sagte Lisicki und betonte lächelnd: „Es war immer ein Traum, hier auf dem Centre Court zu spielen und das Turnier zu gewinnen.“
Bartoli ist auf Platz 15 der Branchenwertung neun Ränge höher eingestuft als Lisicki. Sie ist eine der unangenehmsten Gegnerinnen auf der Tour. Dennoch geht die blonde Deutsche mit dem geflochtenen Zopf nach ihrem märchenhaften Flug durch das Turnier - unter anderem mit dem Achtelfinalsieg gegen die fünfmalige Turniersiegerin Serena Williams - als Favoritin in das finale Kapitel. Liebling der Fans ist die 23-Jährige sowieso schon. Bei jeder Gelegenheit betonte Lisicki zuletzt, wie sehr sie das Turnier, die Fans, den Centre Court, die Atmosphäre, den Rasen - einfach alles hier liebe.
Das kommt bei den Briten gut an. „Mit ihrem blonden Zopf, ihrem etwas schrägen Gesichtsausdruck sowie ihrer Neigung, in unerwarteten Momenten zu lächeln - und noch unerwarteter zu gewinnen - wurde sie zur großen Überraschung der vergangenen 14 Tage“, schrieb die „Times“. Die Boulevardzeitung „The Sun“ verteilte schon mal Vorschusslorbeer der besonderen Art: „Sab Fab! - Fantastische Lisicki trifft auf Schlafmütze Bartoli“.
Viermal standen sich die beiden Finalistinnen schon gegenüber, erst einmal gewann Bartoli. 2008 in der ersten Runde von Wimbledon, bei Lisickis Debüt. Fünf Jahre später sagt Bundestrainerin Barbara Rittner: „Die Chance ist da, und sie will natürlich nur das eine. Doch das will Marion Bartoli auch. Man darf sie nicht unterschätzen.“
Das wird Sabine Lisicki nach den Eindrücken der vergangenen Tage und Wochen nicht tun. „Seit ich ein kleines Mädchen war, träume ich davon, Wimbledon zu gewinnen“, sagte sie. „Noch ein Match und dann schauen wir mal, was dann ist.“