Federer auf der Suche nach der verlorenen Leichtigkeit
Hamburg (dpa) - Sein frustrierter Abgang nach dem Halbfinal-K.o. gegen den argentinischen Nobody Federico Delbonis soll am Hamburger Rothenbaum nicht der letzte Eindruck von Roger Federer bleiben.
„Ich habe nicht das Gefühl, dass ich zum letzten Mal hier war“, sagte Federer am Samstag. Und prompt kündigte Turnierdirektor Michael Stich einen Tag später an: „Wir werden versuchen, Roger nochmals wiederzukriegen.“ Es wäre auch eines viermaligen Rothenbaum-Champions unwürdig, sollte sein letzter Auftritt an der Hallerstraße die deprimierende 6:7 (7:9), 6:7 (4:7)-Niederlage gegen den neun Jahre jüngeren Qualifikanten Delbonis sein.
Zumal ihn das Publikum in der Hansestadt, wo Federers kurzfristige Zusage einen seit Jahren nicht mehr gekannten Run auf die Tickets ausgelöst hatte, längst adoptiert hat. Umso ungläubiger mussten die 7500 Zuschauer auf dem ausverkauften Centre Court mitansehen, welch enorme Probleme der Weltranglisten-114. Delbonis dem Schweizer bereitete. Und wie sehr Federer derzeit all das vermissen lässt, was ihn über Jahre zum Dominator der Tennis-Szene gemacht hat.
Dem 31-Jährigen unterliefen etliche leichte Fehler, zudem agierte er bei den Big Points nicht mehr mit jener selbstverständlichen Souveränität, die ihm den Nimbus einer kaum zu schlagenden Ausnahmeerscheinung auf der ATP-Tour eingebracht hatte.
Bereits bei seinem sensationellen Zweitrundenaus in Wimbledon hatte Federer erkennen müssen, dass selbst Spieler aus der dritten Reihe wie der Ukrainer Sergej Stachowski gegen ihn keine Angst mehr haben. Nun war es Delbonis, der dem auf Weltranglistenplatz fünf abgerutschten Familienvater mit druckvollen Schlägen enorm zusetzte. „Er war eine Spur aggressiver als ich“, räumte denn auch Federer ein.
Klar ist: Auf der Suche nach der alten Leichtigkeit muss sich der 77-fache Turniersieger auf eine lange Geduldsprobe einstellen. Zumal der Schweizer noch etwas Zeit braucht, um sich an sein neues Racket - nach dem Wimbledon-Schock hatte er sich für einen Schlägerwechsel entschieden - zu gewöhnen. Das weiß auch Federer. Und so strich er bewusst heraus, trotz der erneuten Pleite gegen einen Akteur jenseits der Top 100 auch „sehr viel Positives“ aus Hamburg mitzunehmen.
Dass er drei Partien gewann, habe gut getan „für die Moral nach Wimbledon“, auch wenn die Woche „nicht unbedingt“ ein Fortschritt war. Außerdem habe er gut trainiert und es habe Spaß gemacht, vor den Leuten zu spielen und die Stadt ein bisschen zu genießen. Gegen Ende der Pressekonferenz machte Federer aber deutlich, worum es ihm letztlich immer noch geht: um Titel. Mit Blick auf das Turnier in der kommenden Woche in Gstaad sagte er: „Ich muss natürlich nach vorne schauen und hoffen, dass ich in Gstaad eine Runde weiterkomme.“
Stich ist jedenfalls davon überzeugt, dass Federer trotz der sich häufenden Rückschläge nicht abgeschrieben werden sollte. Dass der Schweizer nochmals seinen Schläger gewechselt habe, zeige, dass er noch immer heiß sei. Für den einstigen Wimbledon-Champion mit ein Grund dafür, warum Federer seit mehr als einem Jahrzehnt top ist - und dies auch noch einige Zeit sein wird: „Er will neue Reize setzen und sich weiterentwicklen. Das macht Roger als Spieler auch aus.“