Federer greift gegen Murray nach siebtem Titel
London (dpa) - Roger Federer steht in Wimbledon vor seinem siebten Titel und der Rückkehr auf den Tennis-Thron. Der 30-jährige Schweizer besiegte im Giganten-Halbfinalduell mit einer mutigen Vorstellung den Weltranglisten-Ersten und Titelverteidiger Novak Djokovic mit 6:3, 3:6, 6:4, 6:3.
Aus der Royal Box jubelten dem erleichtert-stolzen „King Roger“ bei seinem Lieblingsturnier Pop-Sängerin Kylie Minogue und Federer-Idol Rod Laver zu. „Das Turnier ist noch nicht vorbei - deswegen bin ich noch nicht weinend zusammengebrochen und auf die Knie gefallen“, sagte Federer gelöst und warnend zugleich. Wimbledon-Legende und BBC-Experte Boris Becker meinte dazu: „Roger war heute mein sentimentaler Favorit - und Djokovic ist am Ende auch menschlich.“
Mit seinem siebten Wimbledon-Triumph würde Federer die Bestmarke von Pete Sampras einstellen - und erstmals seit Mai 2010 wieder die Spitze im ATP-Ranking übernehmen. „Jeder weiß, welch Held Pete für mich ist. Natürlich habe ich jetzt auch viel Druck, weil für mich viel auf dem Spiel steht“, sagte er. Gestoppt werden könnte er nun nur noch am Sonntag von Andy Murray.
Der Schotte zog mit einem 6:3, 6:4, 3:6, 7:5 gegen den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga als erster Brite seit Bunny Austin 1938 in ein Wimbledon-Finale ein. „Ich fühle Erleichterung, Begeisterung, es ist schwer zu beschreiben“, sagte Murray, der nach dem verwandelten Matchball Tränen in den Augen hatte. Letzter britischer Champion im All England Club war Fred Perry 1936. „Alle erwarten Unglaubliches von mir“, sagte Murray zum Druck auf dem Platz und fügte mit Blick auf das Finale hinzu: „Es wird eines der größten Matches meines Lebens.“ Federer ist gewarnt: Im direkten Vergleich mit Ivan Lendls Schützling liegt er 7:8 hinten. Er meinte aber: „Ich spiele immer gern gegen den heimischen Helden.“
Djokovic zeigte sich als fairer Verlierer. „Wenn Roger gewinnt und wieder die Nummer eins wird, ist das sehr verdient, er hatte ein fantastisches Jahr“, sagte er. „Und ich freu' mich auf meine Ferien.“
Unter dem geschlossenen Centre-Court-Dach im verregneten Londoner Südwesten standen sich zwei Kontrahenten auf Augenhöhe gegenüber. Zwar ging Federer noch mit einer 14:12-Bilanz gegen Djokovic in die Partie, von den vorigen fünf Grand-Slam-Halbfinals gegen den Serben hatte der 16-fache Grand-Slam-Rekordchampion aber vier verloren.
In dem mit Spannung erwarteten ersten Rasen-Aufeinandertreffen der beiden erwischte Federer den besseren Start. Der Routinier setzte von Beginn an auf Attacke als Taktik - das, was er gegen Djokovic machen muss - und konnte so den Branchenprimus im ersten Satz überrumpeln. Der zweite Durchgang ging allerdings ähnlich schnell an den „Djoker“, der aufblitzen ließ, weshalb er drei der vorigen vier Grand-Slam-Veranstaltungen gewonnen hat.
Richtig hochklassig wurde die Partie dann im dritten Abschnitt - Federer zeigte imposante Entschlossenheit und ein wie verwandeltes Nervenkostüm im Vergleich zu seiner French-Open-Halbfinalpleite gegen den 25-jährigen Serben. Bei 4:4 wehrte er selbst einen Breakball ab und nahm dann Djokovic den Aufschlag ab, um sich bärenstark Satz drei zu holen. „Come on“ brüllte er. „Das war der Schlüsselmoment des Matches“, schilderte der fast 31-Jährige später.
Im vierten Satz wirkte der sonst so unbändige Kampfgeist von Big-Point-Mann Djokovic gebrochen. Der daueraggressive Federer machte ein schnelles Break zum 2:0 und verwandelte schließlich nach 2:19 Stunden Spielzeit seinen ersten Matchball. In dieser Verfassung scheint Federer in seinem 24. Grand-Slam-Finale kaum zu schlagen zu sein. Es ist überhaupt seine erste Endspielteilnahme bei einem der vier „Majors“ des Jahres seit den French Open in Paris 2011. Auf seinen letzten Grand-Slam-Titel wartet er seit den Australian Open 2010 und auf einen Wimbledon-Triumph gar schon seit dem Jahr 2009.