Aus der Traum: Kerber im Wimbledon-Halbfinale raus
London (dpa) - Angelique Kerber hat es ihrem großen Idol Steffi Graf nicht nachmachen können. 13 Jahre nach der legendären Brühlerin reichte es für Deutschlands neuen Tennisstar (noch) nicht für den Finaleinzug in Wimbledon.
Kerbers Siegeszug bei dem berühmtesten Tennisturnier der Welt wurde jäh von einer grandios spielenden Polin Agnieszka Radwanska gestoppt: Mit 3:6, 4:6 musste sich die Kielerin der Nummer drei der Welt nach nur 70 Minuten Spielzeit geschlagen geben. Dennoch kann sie stolz auf sich sein: Mit einem herzlichen Winken und erhobenen Hauptes verabschiedete sich die Weltranglisten-Achte vom altehrwürdigen Centre Court.
„Ich bin ein bisschen enttäuscht. Aber es ist ein großartiges Turnier für mich gewesen, und ich habe heute alles gegeben“, sagte die 24-jährige Kerber, die Aufsteigerin der WTA-Tour der vergangenen zehn Monate. Vor ihrer US-Open-Halbfinalteilnahme im Herbst war sie ein Nobody - nun bestätigte sie eindrucksvoll, dass sie sich in der Weltspitze etabliert hat. „Ich brauche jetzt erste einmal wieder ein bisschen Zeit, um meine Kräfte zu laden“, sagte sie.
Radwanska sagte nach dem Match: „Wir waren beide etwas nervös, die Hand hat etwas gezittert.“ Die gute Freundin von Kerber ist die erste polnische Grand-Slam-Finalistin in der Profi-Ära und bekommt es mit der viermaligen Wimbledon-Siegerin Serena Williams aus den USA zu tun. Fed-Cup-Teamchefin Barbara Rittner bescheinigte Radwanska ein „perfektes Match“. „Schade, aber sie war heute einen Tick besser als Angie. Trotzdem war das ein Klasse-Turnier!“
Kerber hatte ihr großes Idol Steffi Graf am Mittwoch noch kennengelernt. Graf - auf Stippvisite in Wimbledon - traf sie für 15 Minuten in der Umkleide. Kerber schwärmte hinterher: „Es war unglaublich - ich hatte Gänsehaut.“ Im Gespräch habe es sich so angefühlt, als ob sie einander schon „seit zehn Jahren“ kennen. Als Tipps habe sie ihr mit auf den Weg gegeben, „dass ich da einfach rausgehen soll, es genießen soll und mein Bestes geben soll“.
Tags darauf schaffte sie es dann aber nicht, auf Grafs Spuren zu wandeln. Deutschland wartet weiter seit Grafs Finalniederlage in Wimbledon gegen die Amerikanerin Lindsay Davenport 1999 auf eine Endspielteilnehmerin bei einem Grand-Slam-Turnier. Insgesamt gelang dieses Kunststück erst Helga Masthoff (French Open 1970), Sylvia Hanika (1981 French Open), Graf und Anke Huber (Australian Open 1996) - Masthoff, Hanika und Huber verloren jeweils. Alle 22 deutschen Grand-Slam-Turniersiege holte die Brühlerin Graf.
Über das Spiel gegen Radwanska hatte Kerber vorher gesagt: „Wir kennen uns seit wir klein sind. Meine Familie kommt ja auch aus Polen. Wir reden Polnisch zusammen und sind gute Freundinnen.“ Via Twitter nannte sie den Centre Court ihren „Lieblingsspielplatz“.
Ihrer Mutter Beata kam in aller Aufregung zehn Minuten zu spät zum Match ihrer Tochter: So verpasste sie just Kerbers sehr guten Start. 3:1 führte die laufstarke Linkshänderin, ehe Radwanska deutlich anzog und mit fünf Spielen in Serie den ersten Satz holte.
Im Duell zweier Spielerinnen mit variablem, sehr überlegtem Spiel machte Radwanska alles einen Tick besser als Kerber. Manchmal musste die Schleswig-Holsteinerin sich vorwerfen lassen, nicht aggressiv genug gespielt zu haben. In der Dramatik und von Kerbers Leistung her war die eher unspektakuläre Partie nicht mit dem emotionalen Viertelfinal-Dreisatz-Krimi gegen Sabine Lisicki vergleichbar.
„Sie hat einfach ein sehr gutes Match heute gespielt - Hut ab - Respekt“, sagte Kerber anerkennend über Radwanska. Die 23-jährige Polin spielte nahezu fehlerlos und schraubte ihre Bilanz im Vergleich mit Kerber nun auf 3:2.