Feierbiest Djokovic: Auf zum „No-Djoke Slam“
Melbourne (dpa) - Nachdem er Rafael Nadal im längsten Grand-Slam-Finale der Geschichte niedergerungen hatte, begann für Novak Djokovic der Party-Marathon.
Spontan tauchte der Serbe am frühen Montagmorgen keine eineinhalb Stunden nach dem epischen Endspiel der Australian Open auf der Mitarbeiter-Party auf und stimmte den AC/DC-Klassiker „Highway To Hell“ an. Wie auf der Schnellstraße in die Hölle war sich der 24-Jährige zuvor auch bei seinem Fünf-Satz-Krimi gegen Nadal in 5:53 Stunden immer mal wieder vorgekommen. Doch am Ende fand der Weltranglisten-Erste in einem der besten Tennis-Matches der Historie einen Weg zur Titelverteidigung.
Ab ins Sauerstoffzelt hätte man meinen können, doch Djokovic dachte gar nicht daran, sich zu erholen. „Die Nacht ist noch jung“, meinte der Super-Serbe. Obwohl er in den vergangenen zwei Tagen fast elf Stunden auf dem Court verbracht hatte, um nacheinander Andy Murray und Nadal zu besiegen, kam es dem Branchenprimus nicht in den Sinn, sofort ins Bett zu gehen. „An Essen denke ich im Moment am wenigsten“, antwortete Djokovic auf die Frage, ob er denn am nächsten Morgen zum Frühstück gehen würde.
Nein, Regeneration stand in diesem Moment für ihn nicht ganz oben auf der Agenda. Später sagte Djokovic zwar, er würde jetzt mindestens zwei Wochen lang pausieren und seine Freunde bitten, das Wort Tennis nicht in den Mund zu nehmen. Aber in der historischen Nacht von Melbourne musste erst einmal gefeiert werden. Um halb fünf morgens war dann aber auch für Djokovic Schluss. Die zweiwöchige Schufterei in Australien und der finale Kraftakt gegen Nadal forderten ihren Tribut. „Ich habe viele Schmerzen im ganzen Körper gefühlt“, berichtete der Serbe nach dem Aufstehen am Montagmittag.
So geschunden sein Körper, so frisch gestärkt war nach dem Tennis-Marathon sein Selbstbewusstsein. Selbst den ganz großen Wurf traut sich der serbische Superstar zu: „Es ist eine ultimative Herausforderung, alle vier Grand-Slam-Turniere zu gewinnen.“ Er habe das Spiel, um auf allen Belägen siegreich zu sein. „Alles ist möglich“, betonte Djokovic „auf dem Gipfel meiner Karriere“.
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Djokovic im Moment der beste Tennisspieler des Planeten ist, dann wurde er in der Zeit von Sonntagabend bis Montagfrüh in der Rod Laver Arena erbracht. Früher war der jetzt fünfmalige Grand-Slam-Turnier-Sieger als Weichei verschrien, gab immer mal wieder Matches auf, wenn es nicht so lief oder er sich nicht ganz wohlfühlte.
Für den alten Djokovic hätte es gegen Nadal tausend Gründe gegeben, das Handtuch zu werfen. Doch der neue Djokovic blieb standhaft. Wie in einem Box-Fight ohne Rundenbegrenzung standen sich der serbische Modellathlet und das mallorquinische Kraftpaket im fünften Satz gegenüber. Es hatte etwas von den Gladiatoren-Kämpfen im alten Rom. Auf den Tribünen grölten und johlten die 15 000 Zuschauer, auf dem Platz zermürbten sich Djokovic und Nadal in einer noch nie dagewesenen Intensität.
Sicher, das Duell zwischen dem Amerikaner John Isner und dem Franzosen Nicolas Mahut 2010 in Wimbledon steht mit 11:05 Stunden weiter als längstes Grand-Slam-Spiel in den Geschichtsbüchern. Doch das hier war keine Erstrundenpartie irgendwo auf einem Nebenplatz. Das hier war das Finale eines Major-Turniers, das auf einem derart hohen Niveau ausgetragen wurde, das es den Vergleich mit jedem der sagenumwobenen Spiele vor ihm aufnehmen kann.
Und daran hatte neben dem unglaublichen Djokovic auch der unfassbare Nadal seinen Anteil. „Das ist vielleicht die Niederlage in einem Finale, die am wenigsten wehtut“, sagte Nadal. „Weil ich weiß, dass ich alles gegeben habe, was in mir war.“
Der zehnmalige Grand-Slam-Turnier-Sieger, der nach der epischen Tennis-Schlacht erstaunlich frisch aus sah, steckt in einem Dilemma: Er ist so gut wie noch nie und hat trotzdem dreimal in Serie in einem Grand-Slam-Finale verloren. Nicht, weil er in den entscheidenden Momenten auf einmal versagt, sondern weil er in Djokovic einen Spieler gefunden hat, an dem er sich bislang die Zähne ausgebissen hat. Bei drei Grand Slams wird Djokovic jetzt als Sieger geführt, für den „No-Djoke Slam“ fehlen ihm nur noch die French Open. Niemand, der die Qualitäten des Serben in Melbourne erlebt hat, zweifelt mehr daran, dass er seine Sammlung in Paris komplettieren kann.