Frankreich liegt Prinzessin Bartoli zu Füßen
Paris (dpa) - Der Wimbledon-Sensationssieg von Marion Bartoli hat Frankreich in einen kollektiven Glückstaumel versetzt, der sogar den Élysée-Palast erfasste.
Kaum war der Triumph über Sabine Lisicki unter Dach und Fach, tat Staatspräsident François Hollande seine Einschätzung kund, die bisherige Nummer 15 der Tennis-Weltrangliste habe sich „gegen alle Favoritinnen dank ihres Kampfgeistes und ihres Mutes durchgesetzt“.
Die Medien der Grande Nation überschlugen sich am Sonntag mit Lob für die Spielerin, die den „Beharrlichkeits-Rekord“ aufstellte, erst bei der 47. Grand-Slam-Teilnahme den ersten Titel zu holen. „Märchenhaft!“, titelte die Sportzeitung „L'Equipe“ groß auf Seite eins. Die „Prinzessin“ habe „eines der größten Wunder der Sportgeschichte“ vollbracht. „Le Parisien“ feierte die 28-Jährige als „Super Marion“ und schrieb, die Anhängerin des Fußball-Teams von Olympique Marseille und Liebhaberin von Kunst und Literatur sei zu einer „Legende des französischen Sports“ geworden.
Während viele Franzosen den Sieg am Samstagabend in den Kneipen der Metropolen Paris, Lyon und Marseille feierten, wurde eine 2000-Seelen-Gemeinde durch Bartolis Siegeszug aus ihrer Beschaulichkeit herausgerüttelt. Im Dorf Retournac etwa 70 Kilometer südwestlich von Lyon, wo Klein-Marion jahrelang gewohnt und trainiert hat, erinnerte sich die Präsidentin des lokalen Tennisvereins, Marie-Pierre Oudin, voller Anerkennung: „Sie war schon damals eine Kämpfernatur, hat viel gearbeitet, um dahin zu kommen, wo sie jetzt ist.“
Erst jüngst hatte sich Bartoli im Gespräch mit „L'Equipe“ an ihre Jugendzeit erinnert. „Wenn Sie mit mir nach Retournac fahren, werden Sie sehen, dass meine Erfolge eigentlich unvorstellbar sind“, sagte sie den Journalisten. Zwischen Oktober und November habe sie auf einem Platz in der überdachten Boule-Anlage trainieren müssen. Da bei den Boulespielern der Rotwein in großen Mengen geflossen sei, seien ihr schnell die Metallkugeln um die Ohren geflogen.
Heute kann Bartoli sich über (weit) bessere Trainingsbedingungen und viel Lob freuen. „Das ist ein stolzer Tag für Frankreich“, sagte der französische Botschafter in London, Bernard Emié. French-Open-Direktor Gilbert Ysern meinte, die pummelige, unorthodox mit beidhändiger Vor- und Rückhand spielende Bartoli habe „ihre Chance zu nutzen gewusst“. Sie sei in der Tat sehr intelligent, fügte Ysern in Anspielung auf Berichte an, Bartoli übertreffe mit einem IQ von 175 sogar Albert Einstein.
Die französische Profikollegin Kristina Mladenovic räumte ein, sie habe beim Matchball geweint. „Das war magisch, unglaublich (...) Wenn Lisicki keine Chance hatte, war das Marions Verdienst“, betonte die 20-Jährige, die das Match von Bartolis Box aus verfolgte.
Fed-Cup-Kapitän Amelie Mauresmo, die 2006 in Wimbledon siegreich war und zusammen mit Yannick Noah und Mary Pierce zu den bisher drei französischen Grand-Slam-Siegern der Profi-Ära zählte, hofft, dass der Bartoli-Triumph dem französischen Damen-Tennis Auftrieb verleiht. „L'Equipe“ geht noch weiter und sieht wichtige Lehren für die jungen französischen Sportler: Bartoli habe bewiesen, dass „das Gehirn der wichtigste Muskel eines Meisters“ sei.