Lisicki urlaubsreif nach wunderbaren Wimbledon-Wochen
London (dpa) - Sabine Lisicki sehnte sich einfach nur nach Urlaub. Abschalten, entspannen, Abstand gewinnen. Die zwei turbulentesten, wundervollsten und anstrengendsten Wochen, die sie jemals als Tennisspielerin erlebt hatte, sacken lassen.
Den Rückflug nach Berlin buchte sie für Sonntagnachmittag, danach aber wollte die erste deutsche Wimbledon-Finalistin seit Steffi Graf ihre Ruhe haben. Was hatte die 23-Jährige nicht alles erlebt und ausgelöst in den vergangenen Tagen. Sportprominenz von Steffi Graf und Boris Becker über Dirk Nowitzki bis zu Lukas Podolski würdigten ihre Leistung beim ältesten und bedeutendsten Tennisturnier der Welt.
„Ich liebe euch. Ich werde euch vermissen. Toll, wie viel Zuneigung ihr gezeigt habt. Nächstes Jahr werde ich wiederkommen und kann es nicht erwarten, meine Fans wiederzusehen“, twitterte Lisicki kurz vor ihrem Abflug von London nach Berlin. Um 16.00 Uhr wurde sie am Flughafen Tegel erwartet. „Berlin ich komme!“, schrieb sie in dem Kurznachrichtendienst.
In Deutschland wollten plötzlich alle das Endspiel einer Sportart, die zuletzt in den Nischen von Spartensendern entschwunden war, live und unverschlüsselt im Fernsehen erleben. ARD und ZDF handelten prompt und wollen sich nun um Wimbledon-Livebilder ab 2014 bemühen.
Alles nur wegen dieser jungen Deutschen, die auf den Rasenplätzen von London immer ihr bestes Tennis spielt und schon einmal im Halbfinale stand, ansonsten aber bislang erst drei Titel in ihrer Karriere gewann und sich in der Weltrangliste am Montag von Platz 24 auf 18 verbessern wird? Die bis vor zwei Wochen noch immer in einem Atemzug mit Kerber-Görges-Petkovic-Barthel-Beck genannt wurde?
„Es hat Riesenspaß gemacht zuzuschauen und mitzufiebern!“, erklärte die siebenmalige Wimbledon-Gewinnerin Steffi Graf auf ihrer Facebook-Seite. „Ich hoffe, dass sich andere deutsche Spieler und Spielerinnen an dir ein Beispiel nehmen, um das Feuer, das du entfacht hast, am Brennen zu halten. Damit wir in Deutschland wieder einen nachhaltigen Tennis-Boom erleben“, schrieb der dreimalige Wimbledon-Champion Boris Becker in der „Bild am Sonntag“.
Diese zwei Wochen Ende Juni/Anfang Juli des Jahres 2013 haben etwas verändert. Nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung und der Außendarstellung des deutschen Tennis. Auch und vor allem aber am Auftreten und der Selbstdarstellung von Sabine Lisicki.
„Wimbledon hat mich als Mensch und als Profi stärker gemacht“, sagte sie nach ihrer 1:6, 4:6-Niederlage im Endspiel gegen die Französin Marion Bartoli. „Es war etwas komplett Neues für mich. Aber ich lerne draus und werde so viel aus diesem Finale mitnehmen. Erfahrung hat mir immer geholfen. Ich hoffe, dass es mir nächstes Mal helfen wird, den einen Schritt weiter zu gehen.“
Der eine Schritt hat diesmal noch gefehlt bis ganz rauf auf den Tennis-Thron im Vereinigten Königreich. Ausgerechnet im Endspiel ihres Lieblingsturniers, ausgerechnet im bislang größten Match ihrer Karriere, verließen sie die Stärke beim Aufschlag, die Präzision in den Schlägen, vor allem aber die gedankliche Frische und Coolness.
„Der Weg ins Finale hat mehr Kraft gekostet, auch mental, als ich mir eingestehen wollte“, sagte Lisicki zwei Stunden nach ihrem bemerkenswerten Auftritt bei der Siegerehrung in ihrer fast ebenso bemerkenswerten letzten Presserunde im All England Lawn Tennis Club.
Auf dem Centre Court hatte Lisicki mit tränenerstickter Stimme ihrer Gegnerin gratuliert, ihren Eltern gedankt, das Publikum gewürdigt und sich schließlich von Bartoli an die Hand nehmen lassen. Auf dem Podium des größten Interviewraums fand sie auch ihr Lachen wieder, mit dem sie die Menschen auf der Insel so verzückt hatte. „Es war trotzdem ein großartiges Turnier. Es waren zwei wunderbare Wochen. Ich habe mein bestes Tennis gespielt“, sagte sie.
Nun aber muss Lisicki auch auf anderen Belägen und bei anderen großen Turnieren zeigen, dass sie es kann. Dass sie nicht nur in Wimbledon die ganz Großen wie diesmal Serena Williams im Achtelfinale schlagen kann. Nun muss sie beweisen, dass ihre viel belächelte Aussage als 18-Jährige, sie wolle die Nummer eins der Tennis-Welt werden, mehr war als die Spinnerei eines Teenagers.
Schon Ende August stehen die nächsten Festspiele an. In Lisickis Wahlheimat USA. In Flushing Meadows. Im größten Tennisstadion der Welt. Noch sind die US Open aber weit weg. „Ich werde mich erstmal gut erholen. Das ist jetzt das A und O. Den Körper ruhen lassen und Energie auftanken“, sagte Lisicki und schob sofort hinterher: „Dann werde ich eine gute Vorbereitung auf die Hartplatzsaison machen.“