Im Lisicki-Club: Enttäuschung und Stolz
Berlin (dpa) - Die Anlage des Berliner Tennisclubs LTTC Rot-Weiß war mehr als gut besucht, doch auf den 15 Sandplätzen spielte am Samstagnachmittag kaum einer. Stattdessen hatten sich gut 150 Vereinsmitglieder im Clubhaus „Grand Slam“ eingefunden.
Hier, nur wenige Meter entfernt vom „Steffi-Graf-Stadion“, wollten sie miterleben, wie ihre Vereinskameradin Sabine Lisicki Historisches vollbringt, wie sie als erste Deutsche seit 17 Jahren Wimbledon gewinnt. Doch es kam anders: Die Berlinerin verlor 1:6, 4:6 gegen die Französin Marion Bartoli. Der großen Hoffnung folgte Enttäuschung - aber auch Stolz.
„Schade, diesmal hat es nicht gereicht. Aber Sabine Lisicki hat ein tolles Turnier gespielt und kann auf ihre Leistung in Wimbledon stolz sein“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. „Berlin sagt danke für diese herausragende Leistung. 'Bine' hat das deutsche Tennis und den Berliner Sport großartig vertreten.“
Nicht wenige waren bereits eine Stunde vor Spielbeginn auf die Tennisanlage in den Grunewald gekommen, um sich erst ein Stück Fleisch vom extra installierten Grill und danach einen guten Platz zu sichern. Damit waren sie gut beraten - als Lisickis Gegnerin Marion Bartoli um 15.11 Uhr zum ersten Mal aufschlug, herrschte im „Grand Slam“ bereits dichtes Gedränge. Wer es jetzt noch wagte, sich als Neuankömmling ins Blickfeld zu stellen, hatte den Unmut der Anwesenden schnell auf sich gezogen. Manch einer zog es deshalb vor, seine Nase an der Außenseite der Glasfront platt zu drücken. In den vorderen Reihen herrschte derweil gebannte Spannung. Erfolgreiche Aktionen Lisickis wurden ermutigend beklatscht.
Doch allzu viel zu bejubeln sollte es im ersten Satz nicht geben, zu oft stand den angespannten Zuschauern am Ende der Ballwechsel die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Spätestens als der erste Satz mit 1:6 verloren ging, ahnten viele, dass es ganz schwer werden würde für „ihre“ Sabine. Als Lisicki beim Stand von 1:6 und 2:5 den dritten Matchball abgewehrt hatte, erreichte der Lautstärkepegel im Clubhaus zwar noch mal einen neuen Höchstwert. Nur wenige Minuten später mussten die Rot-Weißen dann allerdings jegliche Hoffnung begraben.
Um 16.32 Uhr war Lisickis Niederlage besiegelt, und die Zuschauer spendeten verhaltenen, aber aufrichtig tröstenden Applaus. „Wir würden ihr natürlich alle den Sieg gönnen“, hatte ein langjähriges Vereinsmitglieder vor der Partie gesagt, „aber Tennis ist einfach immer für eine Überraschung gut. Wir hätten ja auch nicht damit gerechnet, dass Sabine ins Finale kommt.“ Zu diesem Zeitpunkt wurde Sabine Lisicki im TV noch als Favoritin angepriesen. Nicht einmal anderthalb Stunden später sollte das Rot-Weiß-Mitglied recht behalten, doch der Stolz auf seine Vereinskollegin war - wie bei allen Anwesenden - trotzdem riesengroß.