Kerber beißt sich durch - WM-Ticket als Belohnung
Linz/Frankfurt (dpa) - Die plötzliche Leistungsexplosion von Angelique Kerber bringt selbst ihre Vertraute Barbara Rittner ein klein wenig in die Bredouille.
Zwischen zwei Dienstreisen hatte die deutsche Fed-Cup-Teamchefin eigentlich mit ein paar freien Tagen geliebäugelt, nun darf sie Ende Oktober zusammen mit Kerber zur Tennis-WM nach Istanbul - und freut sich riesig für ihre Nummer eins. „Das ist einfach großartig. Vor allem die Art und Weise, mit der Angie das Ticket gesichert hat, ist beeindruckend“, sagte Rittner am Sonntag und gestand: „Vor ein paar Wochen hätte ich nicht damit gerechnet.“
Doch weil Kerber zum Ende eines aus ihrer Sicht komplizierten Jahres plötzlich ihr bestes Tennis spielt, gehört die Kielerin zum zweiten Mal in Serie zu den besten acht Spielerinnen der Saison. Am Sonntag feierte die 25-Jährige in Linz den dritten Turniersieg ihrer Karriere. Im Endspiel setzte sich Kerber gegen die Serbin Ana Ivanovic mit 6:4, 7:6 (8:6) durch.
Nach 1:36 Stunden verwandelte die Schleswig-Holsteinerin ihren vierten Matchball, nachdem sie zuvor vier Satzbälle der ehemaligen Weltranglisten-Ersten abgewehrt hatte. Sie kassierte 40 000 Dollar für den ersten Triumph in diesem Jahr. „Ich wusste, dass es nicht einfach wird. Ana ist eine große Spielerin und ich war ehrlich gesagt sehr froh, als ich endlich den Matchball verwerten konnte. Da ist mir ein Stein vom Herzen gefallen“, sagte Kerber, die nun „ohne Druck nach Istanbul fahren“ kann. „Da habe ich nichts zu verlieren.“
Zur Qualifikation für den Jahresabschluss am Bosporus (22. bis 27. Oktober) genügte ihr schon der Halbfinaleinzug beim WTA-Turnier in Linz. „Natürlich freue ich mich riesig, dass ich es noch geschafft habe“, sagte Kerber. In Österreich war sie nur dank einer Wildcard ins Teilnehmerfeld gerutscht.
Im vergangenen Jahr war Kerber erstmals bei der WM dabei, schied nach drei Niederlagen in der Vorrunde jedoch aus. Dieses Mal traut Rittner der 25-Jährigen mehr zu. „Ich bin fest davon überzeugt, dass sie in Istanbul eine gute Rolle spielen kann“, meinte die Teamchefin. „Dieses Mal kennt sie den Rummel, der auf sie zukommt. Das wird ihr helfen. Zudem kann sie befreit aufspielen.“
Vor allem aber reist Kerber mit frischem Selbstvertrauen in die Türkei. Endspiel in Tokio, Viertelfinale in Peking und jetzt die starken Auftritte in Linz - Kerber hat den Spaß am Tennis wiedergefunden. Zwischenzeitlich war ihr dieser im Laufe der Saison abhandengekommen. Die Rolle der Gejagten, einige Verletzungen und ein paar unerwartete Niederlagen - spätestens nach dem Zweitrunden-Aus in Wimbledon waren bei der Schleswig-Holsteinerin die alten Selbstzweifel zurückgekehrt. „Da hatte ich schon ein bisschen Sorge“, gesteht Rittner.
Doch nach ein paar Tagen Urlaub auf Mallorca und einigen harten Trainingseinheiten in Offenbach hatte Kerber wieder Lust auf Tennis und fand Stück für Stück zu alter Stärke zurück. „Ich fühle mich von Spiel zu Spiel besser“, sagte die Nummer zehn der Welt in Linz. Nun will sie es auch im Kreis der Besten in Istanbul zeigen. Dafür verzichtet Rittner auch gerne auf ein paar freie Tage.