Kohlschreiber mit „breiter Brust“ nach Wimbledon

Halle/Westfalen (dpa) - Der historische Sieg hatte „einen faden Beigeschmack“, doch ein Schlückchen Champagner im VIP-Zelt genehmigte sich Philipp Kohlschreiber dann doch.

„Das war definitiv die schönste Woche in meinem Tennis-Leben in diesem Jahr“, sagte der Augsburger, nachdem er beim Rasenturnier in Halle die Siegertrophäe in die Höhe gestemmt hatte. Zwar fiel sein Jubel wegen des Verletzungspechs von Davis-Cup-Kollege Philipp Petzschner verhalten aus - dafür war der Blick voraus auf den Saison-Höhepunkt in Wimbledon umso optimistischer: „Ich kann da mit breiter Brust aufspielen.“

Ganz anders war die Gemütslage von Petzschner. Den Kopf vergraben unter einem blauen Handtuch, haderte der Bayreuther nach der verletzungsbedingten Aufgabe beim Stand von 6:7 (5:7), 0:2 mit seinem Schicksal. Dass ihn sein Rücken ausgerechnet im ersten deutschen Finale auf heimischem Boden seit 38 Jahren (damals bezwang Hans-Jürgen Pohmann in Berlin Karl Meiler) im Stich ließ, fand der 27-Jährige „unbeschreiblich bitter“. „Egal, wie das Match ausgegangen wäre: Ich wollte mich freuen und stolz sein auf diese Woche. Das wurde mir jäh genommen“, so sein trauriges Fazit.

Besonders bitter: Just vor der angestrebten Titelverteidigung in Wimbledon, wo Petzschner und sein österreichischer Doppel-Partner Jürgen Melzer 2010 für eine Sensation gesorgt hatten, muss er den Rückschlag wegstecken. Noch aber gilt für ihn das Prinzip Hoffnung. „Das sollte nicht gefährlich für Wimbledon sein“, kommentierte der Rasen-Spezialist die muskulären Beschwerden im Rückenbereich.

Davis-Cup-Teamchef Patrik Kühnen bedauerte Petzschner für das „tragische“ Finale. Zugleich betonte der Ex-Profi, dass er seinen Team-Weltmeistern Kohlschreiber, Petzschner und Florian Mayer im All England Lawn Club einiges zutraut: „Es geht aufwärts mit dem deutschen Herren-Tennis. Ich hoffe, dass sie alle ihre Form von Halle nach Wimbledon mitnehmen.“

Kohlschreiber, der als fünfter deutscher Profi in Halle gewann, blickt dem dritten Grand-Slam-Turnier des Jahres jedenfalls topmotiviert entgegen. Zwar bleibe der fade Beigeschmack, dass er gegen Petzschner keinen Matchball verwandeln konnte. Doch eines ist für den Bayern klar: „Ich war der beste Spieler in dieser Woche.“ Mit dieser Gewissheit und dem neu gewonnenen Selbstbewusstsein will er in London befreit aufspielen. „Ich versuche einfach, diese Energie und diesen Spielwitz mitzunehmen“, sagte Kohlschreiber, der so konstant wie seit vielen Monaten nicht mehr auftrat.

In Halle feierte er nach München 2007 und Auckland 2008 seinen dritten Turniersieg auf der ATP-Tour. Für den Coup bei den schwarz-rot-goldenen Festspielen in der ostwestfälischen Provinz wurde der Augsburger mit einem Siegerscheck über 114 750 Euro und dem Vorstoß von Rang 49 in den Bereich der Top 40 der Weltrangliste belohnt. „Er hat hier sein ganzes Potenzial ausgeschöpft“, lobte ihn Tommy Haas, dem vor zwei Jahren ein Heimsieg in Halle gelungen war.