Murray: Britanniens Sehnsucht nach dem Wimbledon-Sieg

London (dpa) - Andy Murray weiß ziemlich genau, was auf ihn zukommen wird in den nächsten zwei Wochen. Die Schlagzeilen und Titelbilder der bunten Blätter werden ihm bekannt vorkommen. Die Fragen der Reporter werden sich wiederholen.

Zu groß ist auf der Insel die Sehnsucht nach dem ersten britischen Wimbledon-Champion seit mehr als 75 Jahren. Der legendäre Fred Perry triumphierte 1936 beim bekanntesten und berühmtesten Tennisturnier der Welt - seitdem ist das Kürzel GBR in der Herren-Siegerliste nicht mehr verzeichnet.

„Ich denke darüber nach, wie es wäre, Wimbledon zu gewinnen. Ich träume davon, Wimbledon zu gewinnen. Ich weiß nicht, ob es jemals passieren wird“, sagte der Weltranglisten-Zweite dem Magazin „GQ“, dessen Titelseite er vor dem am Montag beginnenden Klassiker ziert. Der Druck sei nicht größer als sonst, bekannte Murray und verkündete: „Glaube ich, dass ich gewinnen kann? Die Antwort ist: Ja!“

In der ersten Runde der 93. All England Championships trifft der schnoddrige Schotte mit dem krausen Haar auf den Mettlacher Benjamin Becker. Erst in der vergangenen Woche hatte Murray den Saarländer mit etwas Mühe im Viertelfinale von Queens bezwungen, zwei Tage später bei der Rasenveranstaltung den Titel gewonnen und damit wieder einmal die Hoffnungen aller Briten auf den Wimbledon-Triumph genährt.

„Ich kann es nicht erwarten, da wieder rauszugehen“, schrieb Murray in seiner BBC-Kolumne wenige Tage vor dem Start des dritten Grand-Slam-Turniers des Jahres in London. „Ich verstehe heute definitiv besser, was in bestimmten Situationen gefordert ist und wie ich mit diesen Situationen umgehen muss.“

Das Gefühl des Erfolges auf dem Heiligen Rasen kennt der 26-Jährige seit seinem eindrucksvollen Olympiasieg im vergangenen Jahr gegen Roger Federer. Den Makel des fehlenden Grand-Slam-Titels hat er bei den vorigen US Open gegen Novak Djokovic aus seiner Biografie gestrichen.

Nun also wieder Wimbledon, die Rückkehr in den ehrwürdigen All England Lawn Tennis Club. Ist 2013 das Jahr für den 1,90 Meter großen Athlet aus dem kleinen Örtchen Dunblane, über den sein Fitnesstrainer Jez Green einmal gesagt hat, er habe die Ausdauer eines Mittelstrecklers und die Schnelligkeit eines Sprinters? Für die French Open hatte Murray wegen Rückenproblemen passen müssen, nun fühlt er sich bereit für das schnelle Spiel auf Rasen. „Ich bin in einer guten Verfassung“, sagte Murray nach seinem Queens-Sieg zurückhaltend.

Natürlich weiß er um die nationale Last, die auf seine Schultern und die seines prominenten Trainers Ivan Lendl drückt. Einen Tag vor Turnierstart strahlt die BBC am Sonntagabend eine einstündige Dokumentation aus mit dem Titel „Andy Murray - The Man Behind the Racquet (Der Mann hinter dem Tennisschläger)“. Seit Tagen beantwortet er auf der Internetseite des britischen Senders User-Fragen von „Wer ist deine Lieblingsspielerin?“ über „Warum spielst du Tennis?“ bis zu „Welche Socke ziehst du zuerst an, die linke oder die rechte?“

Murray beantwortet alles und gibt sich auch sonst so entspannt und gelassen wie nur möglich. Als er in Queens noch ein Benefiz-Match spielte, erfüllte er sich einen langgehegten Traum, wie er es selber nannte. Mit einer Vorhand knallte Murray seinem Coach Lendl die gelbe Filzkugel an den Rücken. „Ich hab ihn sauber getroffen, sehr sauber“, berichtete Murray später sichtlich amüsiert. Er feixte und feierte, als habe er gerade Wimbledon gewonnen.