Fed-Cup-Halbfinale Nach Zäsur im Tennis-Leben: Kerber als Anführerin
Stuttgart (dpa) - Für Angelique Kerber wird es ungewohnt. Zum ersten Mal wird im brisanten Fed-Cup-Halbfinale gegen Tschechien der neue Teamchef Jens Gerlach an ihrer Seite sitzen.
Zum ersten Mal wird die zweimalige Grand-Slam-Siegerin im Ernstfall seine Ansprache hören, wenn sie am Wochenende in Stuttgart die deutschen Tennis-Damen gemeinsam mit Julia Görges ins Finale führen soll.
Nach ihrer tristen Saison 2017, nach Selbstzweifeln und einem radikalen Schnitt in ihrem Tennis-Leben sind Kerber starke Auftritte wieder zuzutrauen. Aber auch Skepsis bleibt. Und eine verlässliche Prognose scheint auch deswegen unseriös, weil der Seriensieger der vergangenen Jahre ebenfalls in Bestbesetzung anreiste.
„Fürs deutsche Tennis ist es eine große Sache“, sagte Kerber. „Ich denke, es wird großartig mit einem neuen Kapitän auf der Bank.“ Aufgeräumt, entspannt und konzentriert zugleich tritt die 30-Jährige vor dem Topduell des prestigeträchtigen Teamwettbewerbs auf.
Auf dem Center Court in der Stuttgarter Arena hockt Gerlach in einer Verschnaufpause für ein knappes Gespräch lächelnd vor ihr. Die Kielerin nickt zustimmend bei seinen Worten. In der Regel spielt die Linkshänderin immer dann am besten, wenn sie sich wohl fühlt, ihr ein vertrautes Umfeld Sicherheit gibt.
Barbara Rittner, Kerbers bisherige Bezugsperson im Fed Cup, fällt als unmittelbare Ansprechpartnerin nun weg. Wie Boris Becker im Davis Cup der Herren ist sie aber ebenso nah dran. „Bravo, Bravo“, ruft die 44-Jährige aus der zweiten Reihe während des rund einstündigen Trainings mehrfach, als der Weltranglisten-Zwölften für Sparringspartner Sebastian Sachs unerreichbare Schläge gelingen.
Gerlach, vor seiner Berufung im vergangenen Spätsommer 2017 nur Tennis-Insidern ein Begriff, ist sowohl von Kerber als auch von der momentanen deutschen Nummer eins Görges überzeugt: „Sie sind beide in so starker Verfassung, dass sie die besten Spielerinnen der Welt bezwingen können.“ Beide fehlten, als der gebürtige Stuttgarter in Weißrussand debütierte. Kerber streute im Februar lieber eine Trainingsphase mit ihrem neuen Trainer Wim Fissette ein.
Die Trennung von ihrem Langzeitcoach Torben Beltz war eine Zäsur. Seit November arbeitet die ehemalige Weltranglisten-Erste nun mit dem Belgier zusammen, stellte ihren Aufschlag um, rackerte akribisch für die Fitness. Bessere Ergebnisse stellten sich ein, aber auch überraschend klare Niederlagen blieben nicht aus. „Angie und Wim harmonieren anscheinend sehr gut zusammen. Das hat von Anfang an gepasst“, sagte der 43 Jahre alte Stuttgarter Gerlach.
Sand allerdings kommt Kerber nicht gelegen, ein Turnier hat sie vor dem Auftritt im Fed Cup auf diesem Belag in dieser Saison noch nicht bestritten. „Die ersten Matches auf Sand werden ein bisschen unsicher sein“, mutmaßte die Schleswig-Holsteinerin.
Wer ihre erste Gegnerin sein wird und ob sie gleich als Erste den Platz betritt, erfährt sie am Freitag bei der Auslosung im Rathaus. Voraussichtlich müssen Kerber und Görges gegen die Topspielerinnen Petra Kvitova, Nummer zehn der Welt, und Karolina Pliskova, Nummer sechs, bestehen, soll die Chance auf den dritten Titel nach 1987 und 1992 gewahrt werden. Kerbers Fed-Cup-Partien werden erstmals live und kostenfrei auf ihrer Facebook-Seite gezeigt.
Mit dem bislang letzten Duell mit den Tschechinnen verbindet sie bittere Erinnerungen. Das Finale von Prag vor 13 000 lärmenden Zuschauern endete mit einer Lehrstunde, Kerber verlor damals ihre beiden Einzel. „Irgendwann werden wir es packen. Es war nicht das letzte Mal, dass wir im Finale standen“, kündigte sie damals an.