Tennisspielerin als Autorin Petkovic gestattet Blick ins Innenleben
Paris (dpa) - Mit dem Tennisschläger kann Andrea Petkovic bestens umgehen - es ist das Werkzeug, das der Darmstädterin im vergangenen Jahrzehnt einen anständigen Lebensunterhalt beschert hat. Immerhin war die 30-Jährige einst eine der besten zehn Spielerinnen der Welt.
Seit einiger Zeit experimentiert die mittlerweile aus den Top 100 der Welt gerutschte Petkovic auch öffentlich im Umgang mit dem geschriebenen Wort, nachzulesen in wöchentlichen Kolumnen für das Magazin der „Süddeutschen Zeitung“.
Es ist bemerkenswerter Stoff, den Petkovic bislang unter der Sammelüberschrift „30-Love“ notiert hat. Der Titel kann durchaus doppeldeutig verstanden werden. Es ist einerseits die englische Übersetzung des Tennis-Spielstandes 30:0, andererseits wirkt es wie eine Anspielung auf ihr Alter und vielleicht auch den Seelenzustand.
Zehn Kolumnen sollten es zunächst werden, inzwischen ist Petkovic schon gebeten, mehr zu liefern, wie sie bei den French Open nach dem Erstrundensieg über die Französin Kristina Mladenovic am Montagabend verriet. „Ich weiß nicht, wie lange mir noch was einfällt. Wenn ich irgendwann anfange, Sachen aus dem Himmel zu fischen, sollte ich aufhören“, sagte die vielsprachige und belesene Hessin, die großes Interesse an Kultur hat.
Petkovic berichtet in den Episoden nicht, warum sie welches Tennismatch gewonnen oder verloren hat. Sie erklärt ihre schlechte Laune nach Niederlagen, sie beobachtet ihre Mitmenschen und fragt sich, was ihnen wohl durch den Kopf geht, sie berichtet von ihrer Einsamkeit auf den wochenlangen Reisen durch die Welt oder davon, dass sie seit sechs Jahren Single ist und ihre Beziehungsfähigkeit beim Zusammenleben mit ihrer Schwester unter Beweis stellt.
„Verletzlichkeit zeigen, Schwäche zeigen, und daraus auch Schlüsse ziehen, sich weiter entwickeln - das versuche ich in meinen Kolumnen, so gut es geht“, erklärte sie. Petkovic gibt bewusst Dinge preis, die sie schmerzen. „Sonst bringt es ja nichts, sonst kann es ja jeder schreiben“, meinte sie dazu. Immer geht es in ihren Texten auch um Filme oder Literatur - es ist unterhaltsames Feuilleton.
Geschrieben habe sie auch früher schon, allerdings nicht so strukturiert wie jetzt. „Sonst versteht's ja keiner, außer James Joyce“, scherzte Petkovic mit Blick auf den irischen Autor des Klassikers „Ulysses“. Ihre Kolumnen entstehen unterwegs oder im Café, nicht im Hotelzimmer. Drei bis vier Stunden dauert es bis zur Fertigstellung. Eine Blockade beim Schreiben löse sich schneller als beim Tennis, weil sie sich von anderer Kunst inspirieren lasse. „Wenn du einmal beim Tennis im Wirbelsturm der Emotionen bist, ist es schwer, da wieder raus zu kommen“, erklärt Petkovic.
Die deutsche Damentennis-Chefin Barbara Rittner findet die Schreibe sehr unterhaltsam. „Manches finde ich zu privat, aber das muss sie ja wissen“, sagte Rittner, die Petkovic schon sehr lange kennt und sich natürlich über den Zweitrunden-Einzug der Halbfinalistin von 2014 freute: „Wichtig war, zu gewinnen - und das auf einer großen Bühne. Gut gespielt hatte sie in den letzten Wochen schon öfter.“
Gegen die Amerikanerin Bethanie Mattek-Sands werde es am Donnerstag allerdings nicht einfacher. Dann muss Petkovic ihre Gedanken wieder auf dem Tennisplatz ordnen und mit Schläger und Ball umsetzen.